Neue Kunst im Haus Pelikan

by Kristin Schmidt

Das Visarte-Ost-Projekt Nextex und die Redaktion von «Saiten» sind nach dem Wegzug vom Blumenbergplatz in der Schmiedgasse 15 angekommen. Die neuen Räume werden mit der Gruppenausstellung «Neue Räume» eröffnet.

Es wäre ein schönes Bild: Das neue Nextex als Bienenstock, als Anflugstelle und Produktionsstätte, eifriges Getümmel drinnen und drum herum. Die Bienenmagazine vor dem Haus Pelikan besitzen allerdings kein Einflugloch. Dafür sind sie mit Flaggen verschiedener Monarchien bemalt. Köfer/Hess liefern einen hintersinnigen Wink auf die Verbindungen zwischen Monarchien und verweisen mit den flexibel gestaltbaren Magazinen gleich auf die Doppeldeutigkeit des Ausstellungstitels «Neue Räume».

Die Räume in der Schmiedgasse sind für alle Beteiligten neu. Erst seit wenigen Wochen residieren hier das Nextex und das «Saiten»-Büro. Noch herrscht in manchen Ecken Zügelatmosphäre, noch muss die Website angepasst werden, aber das gesamte, schon durch Wilma Lock kunsterprobte Stockwerk lebt bereits durch seine neuen Mieter. Herzstück ist die neue Bar. Dort, wo die Galeristin zuvor ein Grafikkabinett eingerichtet hatte, hängt lässig eine gezeichnete Küchenschürze am Haken, hüpft ein Känguru aus dem Weiss ins Schwarz, hängen warme Glühbirnen über einem Kaffeehaustisch. Sonja Hugentobler hat einen sehr stimmigen, einladenden Raum geschaffen.

Doch auch alle anderen Künstler eröffnen mit den präsentierten Arbeiten neue Räume. Darüber hinaus ist ihnen ihr regionaler Bezug gemeinsam und dass sie noch nicht im exex oder Nextex gezeigt wurden. Das Spektrum der Arbeiten ist gross. Cécile Hummel lädt ein zu einem Spaziergang durch büchergefüllte Regale und die «casadellaprofessa», die älteste Bibliothek Siziliens. Jedes Buch eröffnet einen neuen Raum – ein Gedanke, der durch die Einblendungen von Prozessionen noch verstärkt wird.

Leo Holensteins Teppich über einem nicht identifizierbaren Objekt ist ebenso geheimnisvoll wie pragmatisch, während Jon Etter zeigt, was ist: Seine Fotografien von gestalteten Landschaften, von technischen und industriellen Bauten zeigen befremdliche, zugleich fragile Eingriffe: Schon wachsen wieder Bäume im Beton. Fragil auch die Gebilde in den beiden Gemälden aus Vera Ida Müllers Serie «Kartenhäuser». Die reduzierten Farbtöne, Pinselstriche und Konturen entsprechen den vergänglichen, teilweise bereits eingestürzten Kartenhausbauten.

Immer wieder gibt es solche Querverbindungen zwischen den Werken, so findet etwa Holensteins Teppich seine Entsprechung in der Stahlskulptur David Bürklers: Faltenwurf hier – Gefaltetes dort.

Im nächsten Raum präsentiert Nicole Böniger ein fünfteiliges Gemälde. Oder sind es fünf Einzelbilder, die da mit Silberlack übersprayt wurden? Eine spannende Arbeit. Gleiches gilt für Michèle Thalers kleine Filzstiftzeichnung «Schlaflose Nächte» mit dunklen Farben und an Amöben erinnernden verwobenen Formen.

Neue Räume scheinen besonders gefährdet, Fragiles zeigt denn auch Christian Lippuners Bild einer sehr vage bleibenden Begegnung zweier Menschen. Auch die Tanzende in Nora Rekades Video bleibt verborgen, und zwar in ihrer eigenen, vorn geschlossenen Kapuze – eine Studie über Medienwirkung und Ich-Gefühl.

Bernhard Tagwerkers Lithographieretuschen sind experimentelles Ergebnis technischer Recherche. Andy Storchenegger schliesslich gibt sich rätselhaft mit der ausgerechnet durch einen Luftballon beschwerten Katze.

Eine gemeinsam und sorgfältig kuratierte Gruppenausstellung macht also den Auftakt am neuen Ort. Der Nextex-Vorstand hat damit gleichzeitig die Chance zu intensiven gemeinsamen Gesprächen und Weiterdenken der eigenen Arbeit genutzt. So bleibt zu erwarten, dass die weissen Wände nicht mehr lange so unangetastet bleiben.

Noch scheint der Respekt vor den ehrwürdigen Räumen nachzuwirken. Doch schon bald wird sich das Nextex richtig eingefühlt haben, wird mehr wagen und gemeinsam mit «Saiten» eine unkonventionelle Kulturzelle in der Altstadt bilden.