Bunte Würfel, weisse Räume
by Kristin Schmidt
Die Malerei ist für den französischen Künstler Sébastien de Ganay der Ausgangspunkt für dreidimensionale, skulpturale Farbexperimente. Seine Arbeiten sind in der Galerie Roellin/Duerr ausgestellt.
Turm, Tunnel, Schrank, Sarg, Höhle, Schaukel – halbierte Hohlzylinder sind sehr verwandlungsfähig. Sie lassen sich freistehend, an der Wand oder aneinander, liegend mit der Öffnung nach oben oder nach unten positionieren. Sébastien de Ganay setzt bei seinen Aluminiumskulpturen die Summe all dieser Möglichkeiten voraus. In seiner Ausstellung in der Galerie Roellin/Duerr im Lagerhaus sind halb- und ganzfigurige Zylinder frei im Raum angeordnet und keiner muss zwingend bleiben wie und wo er ist. Das freie Spiel mit den Körpern und Volumen, die Mobilität der Objekte ist Teil seiner Werkidee.
Das setzt sich besonders augenfällig in den auf- und nebeneinander gestapelten Kuben fort: Wie bunte Bauklötze sind sie geordnet und aufgereiht, scheinen aber geradezu darauf zu warten, dass diese Ordnung durch eine andere ersetzt wird. Der 1962 in Frankreich geborene, jetzt in Paris und der Nähe von Wien lebende Künstler, kalkuliert diesen Reiz seiner Skulpturen durchaus ein. In einem Interview im Katalog erklärt er dazu: «Meine Arbeit kennt keine Berührungsängste. Manchmal ist es gut, den anderen das Risiko zu überlassen, sich zu amüsieren.»Spontan fühlt man sich beim Modulsystem aus Würfeln und Zylindern an die Skulpturen der Minimal Art erinnert: Auch dort bot ein einfaches geometrisches Grundvokabular den Ausgangspunkt vielfältigster Kombinationsreihen und führte zur überraschenden Vielfalt klarer, durchaus nicht schematisch wirkender Lösungen. Mittels serieller Wiederholungen unterliefen die Künstler die traditionelle kompositorische Hierarchie und versuchten eine objektive, demokratische Kunst zu schaffen. Unterliegen die Werke der Minimal Art jedoch einer strengen Logik, so legt de Ganay den Schwerpunkt auf einen offenen Gestaltungsprozess, in dem auch die Farbigkeit eine grosse Rolle spielt. Die Würfel sind in bunten, teils knalligen Tönen lackiert und machen so noch mehr Lust auf ein spielerisches Umsortieren.
Die Arbeit mit der Farbe ist für de Ganay ein zentraler Aspekt seines Schaffens und nicht zuletzt auch die Brücke zwischen seinen Gemälden und seinen Skulpturen. Denn zunächst begann er um 1984 mit der Malerei und versuchte bald die glatte Oberfläche der Farben aufzubrechen. Die Bilder konstruieren ein interessantes Spannungsfeld zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Freunde, Bekannte oder anonym bleibende Personen agieren grossfigurig vor weissem Hintergrund. Den Darstellungen fehlt also ein konkreter räumlicher Bezug, der einerseits Rückschlüsse auf das Umfeld der Porträtierten zulassen und andererseits eine perspektivische Tiefenwirkung ergeben würde. Die Räumlichkeit erzeugt de Ganay auf andere, ungewöhnliche Weise: Auf die weiss grundierte Leinwand wird gefaltete Plastikfolie gespannt, die wiederum den Maluntergrund bildet und anschliessend nochmals mit Plastik bespannt wird. Die Falten verleihen dem Bild Tiefe und bewahren gleichzeitig seine Transparenz. Ein stilles Leuchten dringt wie unter einem Schleier hervor. Die winkenden, stehenden oder liegenden Personen wirken lebensnah und sind doch der Wirklichkeit oder zumindest dem Alltag enthoben. De Ganays Gemälde sind lebendig und zeitlos zugleich. Malerei erhält hier ganz neue Impulse.