Drei handfeste Flattergestalten
by Kristin Schmidt
Eine gekonnte Mischung aus Tanztheater, Komödie, Lichtershow und Kostümfest inszenierte Claudia Roemmel um drei ungewöhnliche Feen in der Grabenhalle. Mit den Feen der Kindheitsträume haben sie wenig gemein, doch ihr Charme ist unwiderstehlich.
Feen, so der deutsche Sprachforscher Adelung im 18. Jahrhundert, seien eine Art erdichteter Untergöttinnen, ersonnen durch die verderbte Einbildungskraft wider alle Kenntnisse der Naturkräfte.
Und was damals galt, das gilt heutzutage erst recht, zumindest, wenn man dem Abwart in Claudia Roemmels neuestem Stück glauben mag. Die vielseitig begabte Künstlerin gibt den schrulligen Hausmeister in «Die letzten Feen» gleich selbst und ist kaum wiederzuerkennen. Desillusioniert, gebückt und mit einem ewigen Zigarrenstummel zwischen den Zähnen, philosophiert der Alte über das Funktionsprinzip der Gegenwart, in der schlussendlich alles durch irgendwelche «Rädli» zum Laufen gebracht wird.
Aber ganz so einfach ist es dann eben doch nicht. Mal scheint es, als wolle er sich durch die ewige Litanei über die Erklärbarkeit der Welt von den seltsamen Dingen ablenken, die um ihn herum passieren, mal scheint er sie gar nicht zu bemerken: Da ist der Staubsauger, der plötzlich ein geräuschvolles Eigenleben entwickelt, da ist eine rätselhafte, schwer zu bändigende Sängerin (Brigitte Beglinger) – halb Puppe, halb Mensch, und schliesslich sind da die drei zauberhaften Wesen, denen Claudia Roemmel ihr Stück gewidmet hat. Gehüllt in Tüll, Seide und Spitze in zartesten Pastelltönen, erobern sich die drei Grazien mühelos die Zuschauergunst in der Grabenhalle. Keine ist wie die andere und keine so wie die Feen unserer Kinderträume. Statt atmosphärischer Flattergestalten begegnen wir handfesten und mitunter sogar handgreiflichen Charakterfiguren. Kokett, naiv kommt die erste daher (Nadja Hagmann). Eher eine Diva als eine Fee ist die zweite (Stefan Hungerbühler). Und weil aller guten Dinge drei sind, gibt es da noch die verschlafene Schöne (Moritz Wittensöldner). Es ist eine mutige Entscheidung, bei zwei der Feen einen Rollentausch zu wagen, aber das Experiment gelingt. Wenn Männer, die nur gelegentlich in Frauenkleider schlüpfen, im sonst ungewohnten Kostüm oft unsicher, peinlich oder ungewollt komisch wirken, dann nicht unter der Regie von Claudia Roemmel: Von Anfang an umgarnen ausgerechnet die beiden maskulinen Feen mit Charme, Anmut und fantastischem Augenaufschlag das Publikum. So ganz werden die Geschlechterklischees dann aber doch nicht gebrochen, denn bei den aufkommenden Feenstreitigkeiten bringt die weiblichste des Trios die anderen Kampfhähne wieder zur Raison und räumt die Bühne auf.
Viel zu ordnen gibt es allerdings nicht. Mit Requisiten geht das Team von Arte Ludens äusserst sparsam um. Ein paar elektrische Geräte, drei Kleiderbügel, die sowohl Florett als auch Wünschelrute sind, drei Teppiche und drei Paravents bilden die gesamte Ausstattung, die allerdings mit Hilfe der Zauberwesen ein reges Eigenleben entfaltet. Ausserdem wird spielerisch immer wieder die Beleuchtung einbezogen und vom Glühwürmchentanz bis zum Schwarzlichtgeflimmer für ausgefeilte Effekte und wunderbar stimmungsvoll arrangierte Szenen genutzt. Bei all dem märchenhaften Treiben auf der Bühne kommt auch das Tänzerische nicht zu kurz. Wie Derwische wedeln die Feen umher, und zu guter Letzt erfasst der Rhythmus selbst den Abwart noch. Die fünf Viertelstunden vergehen wie im Flug. Die gekonnte Mischung von Tanztheater, Komödie, Lichtershow und Kostümfest wird vom Premierenpublikum mit ausgiebigem Beifall belohnt.