Arbeiten für die textile Zukunft

by Kristin Schmidt

Die einen sticken, stricken, knüpfen, weben. Die anderen trennen auf, zerschneiden, ziehen Fäden und lassen ausfransen. Gemeinsam ist allen TaDa-Residents die innovative Arbeit an textilen Themen zusammen mit Firmen und Institutionen aus der Ostschweiz. Jetzt feiert die TaDa – Textile and Design Alliance ihren fünften Geburtstag mit einer grossen Ausstellung im Werk2 in Arbon.

Die Textilindustrie hat sich zu einem der problematischsten Wirtschaftszweige entwickelt. Die Schlagzeilen reissen nicht ab. Die Menge des Konsums, die Transportwege, die Rohstoffgewinnung, die Arbeitsbedingungen, die zerstörerischen Auswirkungen eines globalisierten Systems auf lokale Handwerksbetriebe, die kaum vorhandene Kreislaufwirtschaft, die Belastung der Böden mit giftigen, langlebigen Chemikalien, die Abfallberge – die Liste der negativen Auswirkungen des schnellen, unreflektierten, überbordenden Konsums ist lang. Die Initiativen für ein Umdenken muten im Vergleich dazu klein und lokal an. Doch ihre Bedeutung ist gross, sie zeigen, dass es auch anders geht, gehen muss. Das gilt sowohl für die kleine Schneiderei, die sich irgendwo auf der Welt gegen die Übermacht der Marken stemmt, als auch für Künstlerinnen und Künstler, welche die katastrophalen Folgen von Fast Fashion in eindrucksvolle Bilder übersetzen. Einen anderen, sehr produktiven Ansatz hat die Textile and Design Alliance in der Ostschweiz gewählt. Seit fünf Jahren bringt sie unter dem freudig, aktiven Kürzel TaDA das internationale kreative Schaffen mit der traditionsreichen Textilproduktion der Ostschweiz zusammen. Was dabei herauskommt, zeigt jetzt eine eindrucksvolle Schau im Werk2 in Arbon.

Eine Webmaschinenhalle als Kulturort

Dieser Ort passt besonders gut, wurden doch hier vor Jahrzehnten von der Firma Sauerer Webmaschinen hergestellt und grossen Stückzahlen exportiert. Heute ist in dieser Halle noch immer die Textildruckerei Arbon tätig. Sie ist die letzte Schweizer Handsiebdruckerei und produziert auf höchstem Qualitätsniveau und sie ist eine der Partnerfirmen von TaDA. Dass nun also für anderthalb Wochen im zweiten Hallenteil die TaDa-Ausstellung einzieht, ist eine sehr gute Fügung. So sieht es auch Marianne Burki, die das Residenzprogramm seit seiner Gründung leitet: «Als im Frühjahr klar wurde, das Werk2 steht für eine Ausstellung zur Verfügung, haben wir zugesagt. So eine Halle kommt nicht jeden Tag auf einen zu. Aber es wurde eine sportliche Angelegenheit.» Das liegt einerseits an der weit über den Globus verstreuten Herkunft der Residents – von Indien bis in die USA, von der Schweiz bis Südafrika, von Finnland bis Libanon – und andererseits an der grossen Vielfalt der Arbeiten. Die einen nähen Glasperlen zwischen Stofflagen, die anderen arbeiten mit Bioplastik, die nächsten mit Rosshaar, wieder andere kreieren Tonfrequenzen, die sich auf Moiré-Effekte beziehen. Jährlich kommen sechs nationale und internationale Kunstschaffende, Gestalter oder Architektinnen für einen dreimonatigen Arbeitsaufenthalt nach Arbon. Und sie erhalten hier eine direkte Anbindung an die Praxis – sie können Maschinen, Labore und Produkte der regionalen Textilunternehmen, der Forschungsanstalt EMPA und die Sammlungen des Textilmuseums nutzen. So kommt eine inhaltliche und formale Bandbreite zustande, die von produktionstauglichen Prototypen reicht bis hin zu einzigartigen künstlerischen Installationen. Laura Deschl aus Deutschland hat beispielsweise eine textil-basierte Sensorik in ein Kleidungsstück integriert, die der kontinuierlichen Atemüberwachung dient. Es gibt seine medizinische Funktion kaum zu erkennen und vermittelt ein gutes Traggefühl. Bi Rongrong aus China untersuchte Stoffstrukturen aus verschiedenen Kulturen und die Brücken zwischen dem globalen Süden und Norden – sie fand überraschende Gemeinsamkeiten. marce norbert hörler aus Appenzell Innerrhoden und Berlin liess sich von kunstvollen Kragen aus der Stickereisammlung des Textilmuseums St.Gallen zu Chokern und Seidenschals inspirieren, die als sinnliches Orientierungsmittel funktionieren. Der in Genf lebende Südafrikaner Jamal Nxedlana erforscht Secondhand-Textilien als Träger von Erinnerung und kultureller Bedeutung. Ein Ausgangspunkt war der Dunusa-Markt in Johannesburg, Afrikas grösster Gebrauchtkleidermarkt. Besonders interessieren ihn Gebrauchsspuren wie Flecken und Falten, die er in Muster verwandelt, die von Reparatur, Wiederverwendung und kollektiver Erinnerung erzählen.

Ordnung in der Vielfalt

Von den insgesamt 33 TaDa-Residents sind in der Ausstellung mehr als zwei Drittel dabei. Marianne Burki hat deren Arbeiten, Prototypen und Prozesse chronologisch geordnet. Dass diese Abfolge dennoch lebendig und vielseitig wirkt, liegt einerseits an den gezeigten Stücken und andererseits an der Präsentation selbst: «Wir haben nichts neu gebaut, sondern genutzt, was da war.» Die Firmen haben Geräte, Container, Garderoben und Tablare beigesteuert. So vereinen sich pragmatische Infrastrukturen mit kreativem Schwung und improvisierte Displays mit gestalterischer Perfektion. Damit transportiert «TaDA: Together» perfekt die Botschaft des ganzen Programms: Durch die Verbindung von Kreativen aus aller Welt mit lokalen Textilunternehmen und -institutionen entstehen neue Impulse für Kunst, Industrie und Gesellschaft.