Teddys, Schmetterlinge und Psychoanalyse
by Kristin Schmidt
Precious Okoyomon ist spätestens seit der zweimaligen Teilnahme an der Biennale Venedig an der Spitze der Kunstwelt angekommen – und nun auch im Kunsthaus Bregenz zu sehen. Die Ausstellung ist sehr persönlich und wartet mit grossformatigen Installationen auf.
Die Einen haben einen Teddy. Die Anderen einen Hasen oder einen Fuchs, einen Humpty Dumpty, ein Einhorn. Fast alle Kinder haben ein Plüschtier oder zwei oder viele. Entweder möglichst naturalistisch oder in Rosa mit Kulleraugen und Glitzerhufen. Precious Okoyomon hatte viele Plüschtiere. Sehr viele. So viele, dass sie bis heute ausreichend künstlerischen Rohstoff liefern. Und dies nicht nur in materiellem Sinne, sondern auch inhaltlich wie die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt.
Plüschtiere sind ein guter Stoff: Sie sind Gegenstand psychoanalytischer Betrachtungen, mit ihnen werden die allerersten Bindungen interpretiert, die Trennungsangst und der Trost. Das hat die sogenannten Übergangsobjekte auch in der Kunst immer wieder zu einem ausdrucksstarken Material gemacht. Von Urs Fischer über Mike Kelley bis Annette Messager gab es die Plüschtiere in riesengross, in schäbig, aufgehängt und zu grossen Knäueln zusammengenäht. Ausgedient haben sie damit noch lange nicht, auch nicht in der Kunst.
Plüschtiere als Speicher
Precious Okoyomon arbeitet mit den eigenen Plüschtieren und das ist ein Befreiungsakt: «Als Kind war ich geradezu von meinen Plüschtieren abhängig. Ich nahm sie überallhin mit. Sie haben mich vor der Realität meiner Kindheit beschützt. Ich habe darüber nachgedacht, wie Erinnerungen gespeichert, festgehalten, abgerufen und erschaffen werden. Stofftiere sind Objekte, die kollektive und persönliche Erinnerungen speichern.» Aber dieser Erinnerungsspeicher kann auch zum Ballast werden. Und dann? Precious Okoyomon hat die Plüschtiere auseinander genommen, neu zusammengenäht, ihnen Vogelflügel angefügt und diesen Chimären einen robusten Strick um den Hals gelegt. Stranguliert baumeln sie nun von der Decke des Kunsthaus Bregenz und schicken trotzig ihr Plüschtiergrinsen in den Ausstellungssaal: So schnell geben die Geister der Vergangenheit nicht auf. Vielleicht hilft die Psychoanalyse. Okoyomon besucht zweimal wöchentlich psychoanalytische Sitzungen. Auch dieses Instrument, der eigenen Biografie auf die Spur zu kommen, fliesst in die Ausstellung ein: Okoyomon platziert im Erdgeschoss des Kunsthauses Bregenz zwei Boxen. Beide sind mit einer Chaiselongue und einschlägiger Fachliteratur ausgestattet. In der einen warten eigens geschulte Personen darauf, mit den Ausstellungsgästen in einen Dialog zu treten, in der anderen liegen Fragebögen aus: «Wissen Sie, wie das Wetter am Morgen oder am Nachmittag Ihrer Geburt war?» lautet eine der Fragen, «Haben Sie schon mal ein Haus besetzt?», eine andere. Oder «Sind Sie ein diasporischer Cyborg?» Mal sind die Fragen rätselhaft, mal geradlinig, immer zielen sie ins Ich der Befragten. Die Antworten werden gesammelt und fliessen in Okoyomons Arbeit ein.
Schwarze Schmetterlinge im Kunstgarten
Sollte so viel Mitarbeit zu anstrengend werden, bietet sich im zweiten Obergeschoss ein riesiger Teddy für eine Kuschelpause an. Er liegt auf einem rosafarbenen Teppich, fletscht kleine Reisszähne und ist ansonsten von harmloser Niedlichkeit. Ob sich damit die behauptete intime Atmosphäre einstellt, muss dahin gestellt bleiben. Dafür braucht es in der klaren Architektur Peter Zumthors vermutlich mehr als nur ein rosafarbenes Teppichquadrat und etwas ausgepolstertes Kunstfell.
Im obersten Stockwerk knüpft Okomoyon an die Arbeit in den Arsenale Venedig an: In Zusammenarbeit mit der Blumeninsel Mainau wurde ein Garten eingerichtet, in dem sich Raupen verpuppen und Schmetterlinge schlüpfen – ausschliesslich schwarze Arten. Diese Szenerie in einem Ausstellungshaus hat das Potential, eine magische Stimmung zu entfalten, wäre da nicht hinter einem Netzvorhang die Videoprojektion: Okomoyon sitzt am Steuer eines Kleinflugzeuges bei einem Rundflug über den Hudson River. Paradoxerweise erdet der Flug den benachbarten Garten, denn er wirkt recht pragmatisch. Und er ist ebenfalls eng mit Okomoyons Biografie verknüpft: Mit dem Flugschein stemmte sie als schwarze, queere Person sich gegen gängige Rollen- und Rassenklischees. Im Video sind ausserdem Okoyomons Texte zu hören – hier wird die Ausstellung dann doch intim und poetisch.