Drei Geschichten, drei Familien, zwei Künstler
by Kristin Schmidt
Das Zeughaus Teufen erzählt mit dem Projekt «Drei Geschichten» davon, wie einflussreiche Familien einen Ort prägen. Die Künstler Michael Meier und Christoph Franz haben eine Ausstellung gestaltet, zwei Publikationen entwickelt und drei Steine im Bach behauen lassen.
Sie haben Häuser erbaut, erweitert oder sogar an einen anderen Standort versetzt. Sie haben Villen gekauft, verkauft oder sogar abgerissen, weil sie sich beispielsweise schlecht heizen liessen. Sie haben Fabrikgebäude errichtet, mit Unterkünften für das Personal ergänzt oder für den Betrieb moderner Maschinen angepasst. Unternehmerfamilien haben das Ortsbild von Teufen geprägt. Das ist wenig überraschend. Aber wann und und aus welchen Gründen fanden die baulichen Veränderungen statt? Wirken sich bestimmte Geschehnisse auf immer gleiche Weise aus? Welche Rolle spielt die Landschaft für die Bauten? Das Zürcher Künstlerduo Michael Meier und Christoph Franz ist diesen Fragen nachgegangen und präsentiert die Antworten im Zeughaus Teufen in der Ausstellung «Drei Geschichten». Der Titel steht für drei Teufener Familien und deren Wirken.
Recherchieren beim Spazieren
Die ersten Schritte einer künstlerischen Annäherung fanden vor über drei Jahren auf zahlreichen Spaziergängen in und um Teufen statt. Solche Erkundungen vor Ort sind ein wichtiger Baustein für die Arbeit von Michael Meier und Christoph Franz. Seit 2007 setzen sie sich gemeinsam mit der gebauten Umgebung der Menschen auseinander. Sie durchwandern städtische und ländliche Räume, richten ihren Blick auf bauliche Normen und Besonderheiten und darauf, wie sich diese auf das Zusammenleben auswirken. In Teufen sind sie von einer These ausgegangen, die sie seit längerem beschäftigt: Das Erbe hat einen Einfluss auf die Baukultur. Immer wenn grössere Vermögenswerte in neue Hände übergehen, manifestiert sich dies auch im baulichen Gefüge eines Ortes. Teufen erwies sich als der ideale Untersuchungsgegenstand, denn es hat eine überschaubare Grösse und einige Familien haben an seiner Geschichte entscheidend mitgewirkt.
Vier Historiker, ein Musiker, ein Steinmetz
Nach ihren ersten Begegnungen mit dem Dorf und seinen Menschen haben Michael Meier und Christoph Franz die Verbindungen, Einflüsse und Wegmarken notiert. Diese tabellarische Übersicht ist Teil der Ausstellung im Zeughaus Teufen und füllt dort eine ganze Wand. Zu sehen ist ausserdem eine dreiteilige Videoinstallation, die in atmosphärischen Aufnahmen drei Teufener Bäche zeigt. Mit diesen Wasserläufen sind die Familien und ihre Firmen eng verknüpft. Hier standen die Zwirnereien, die Stick- und Webfabriken und oft auch die Privatgebäude. Begleitet werden die filmischen Bilder vom eigens komponierten Sound von Tobias Preisig. Der international tätige Geiger und Komponist hat Teufener Wurzeln – eine der vielen schönen Koinzidenzen des Projektes. So wirkte auch der Steinmetz Mike Bauer mit, der wiederum schon an der Sanierung der Zeughaus-Fassade beteiligt war. Mitgearbeitet haben ausserdem die Historikerinnen Heidi Eisenhut und Iris Blum und ihre Berufskollegen Thomas Fuchs und Peter Müller. Deren Arbeit hat Eingang gefunden in die Publikationen zu «Drei Geschichten». Sie bilden neben der Ausstellung im Zeughaus Teufen einen eigenständigen zweiten Teil des Projektes.
Texte und Tafeln
Im Textband sind die Rechercheergebnisse nachzulesen und im Tafelband sind die Familienchroniken auf einem Zeitstrahl angeordnet und 161 Koordinatentafeln abgebildet. Diesen liegen die Informationen zu den Familienbesitztümern zugrunde. In komprimierter, konzeptueller Form geben die Künstler damit Auskunft zu Grundbuchinformationen. Auf den ersten Blick bestehen die Tafeln nur aus kryptischen Zahlen- und Buchstabenkombinationen, erst in Kombination mit der Chronik erschliesst sich der Inhalt. Drei solcher Tafeln haben die beiden Künstler in Stein hauen lassen – das ist der dritte Teil des Projektes. Jeder der drei Steine liegt in einem Teufener Bach. Hier sind sie ein Zeugnis dafür, wie wichtig die Wasserläufe für die Industrialisierung waren und damit für den Wohlstand der Familien. Aber das stetig fliessende Wasser wird die Steine schleifen und die Informationen davontragen – und liefert damit ein Bild für die Dynamik von Familien und ihren Unternehmungen.