Barry Le Va

by Kristin Schmidt

Vaduz — «Einen Eindruck von Ganzheit ausschliessen und sich auf Einzelteile, Fragmente, unvollständige Handlungen und Strukturen konzentrieren.» – Diese Notiz von Barry Le Va (1941–2021) aus dem Jahr 1989 charakterisiert nahezu alle seiner dreidimensionalen Arbeiten, die derzeit im Kunstmuseum Liechtenstein zu sehen sind. ‹In a State of Flux› ist die erste Retrospektive nach dem Tod des US-amerikanischen Künstlers. Sie richtet das Augenmerk nicht nur auf den radikalen Bildhauer, sondern ebenso sehr auf den bedachten Denker und Planer.
Der Ausstellungsparcours beginnt mit Werken von herausfordernder Präsenz: ‹Cleaved Wall› (1969–70) besteht aus zwölf in die Wand gehauenen Metzgerbeilen. Für ‹Shots from the End of a Glass Line› (1969–70) werden fünf Revolverschüsse auf ein Stahlrohr am Ende einer Schlangenlinie aus zerbrochenem Glas abgegeben. Aus der Serie der ‹scatter pieces› aus zersplitterten Scheiben sind drei Beispiele vertreten. Barry Le Va hat mit diesen Werken die Bildhauerei an ihre Grenze geführt; er hat destruktive Momente in eine konstruktive Form überführt. Aus der Zerstörung und Streuung resultieren neue Ordnungssysteme wie Stapel, Reihen oder die variabel angeordneten ‹Distribution Pieces› aus Filzstücken und Metallkugeln. Und er hat Prozesse initiiert, die für jede Installation neu ausgeführt werden müssen – dies führte für die erste Ausstellung nach seinem Tod zu vielen Fragestellungen und intensiven Recherchen in unterschiedlichen Archiven. Briefe, Notizen und Zeichnungen des Künstlers lieferten Hinweise für die Ausführung und mehr noch: Dank der Forschungsarbeit kann bisher unentdecktes Material gezeigt werden, beispielsweise ein Film-Fragment des Videopioniers Gerry Schum mit Anweisungen von Le Va.
Der Präsentation gelingt die enge Verbindung zwischen dem Physischen und dem Konzeptuellen in Barry Le Vas Schaffen. Jedem skulpturalen Werk gehen zahlreiche Studien voraus. Der Künstler skizziert Varianten, Vorüberlegungen und räumliche Situationen. Diese Notationen werden im Kunstmuseum Liechtenstein in Nachbarschaft zu den Installationen gezeigt, jedoch ohne deren Präsenz zu beeinträchtigen: Raumgreifende Werke und Zeichnungskonvoluten folgen einander in schlüssiger Inszenierung.
Zur Ausstellung ist eine dreibändige Publikation in Arbeit unter anderem mit erst- und wiederveröffentlichten Interviews mit dem Künstler.

‹Barry Le Va – In a State of Flux›, Kunstmuseum Liechtenstein, bis 29.9. 2024, Fruitmarket, Edinburgh, 26.10.2024–2.2.2025 und Museum Kurhaus Kleve, Frühjahr 2025

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