Ein sympathischer Koloss aus Blech

by Kristin Schmidt

Einst eine Sensation, anschliessend nahezu vergessen: Der Teufener Maschinenmensch «Sabor». Das Zeughaus Teufen widmet der einstigen Weltneuheit eine Ausstellung. Mit dem Begleitprogramm schlägt sie eine Brücke zu den brennenden Fragen unserer Zeit: Künstliche Intelligenz, Robotik und die Zukunft menschlicher Schaffenskraft.

An der Landesausstellung 1939 in Zürich, an der Weltausstellung 1958 in Brüssel, in London, Haifa, Hamburg und New York – überall war «Sabor» unterwegs. Nur in Teufen war er nie ausgestellt. Ausgerechnet Teufen. Von hier stammt der blecherne Riese. Hier hat ihn August Huber im Jahr 1923 als zwölfjähriger Bub erdacht, konstruiert und gebaut. Anfangs noch aus Holz, aber bereits ferngesteuert. Die zweite Version, sieben Jahre später, hatte schon eine Metallhaut, konnte einen Tambour und eine Trommel schlagen. Gesteuert wurde sie von einer Fotozelle. Es folgte «Sabor III», aus drei wurde vier aus vier wurde «Sabor V»: Der Maschinenmensch aus Teufen. 2,37 Meter misst er. 270 Kilogramm ist er schwer. 500 Meter Kabel trägt er in seinem Bauch.

Beweglicher Riese

Seit Jahren steht «Sabor» in der Technikausstellung des Primeo Energie Kosmos in Münchenstein. Von dort kehrt er nun für ein Vierteljahr nach Teufen zurück und präsentiert sich in seiner ganzen Grösse: Zwei Antennen ragen rechts und links aus seinem Kopf. Darunter der Hals und ein breiter Brustkorb. Kniee hat er nicht, dafür tragen ihn riesige Schuhe. Damit konnte sich «Sabor» ferngesteuert vorwärts bewegen. Er konnte seine Arme heben und senken, Feuer geben und Blumen überreichen. Wo er auftrat, wurde er bestaunt – und von den ganz Kleinen auch gefürchtet. Inzwischen ist er nicht mehr funktionstüchtig, aber eindrucksvoll ist er nach wie vor. Ein Besuch lohnt sich, auch weil die Ausstellung im Zeughaus Teufen weit mehr als eine Maschine präsentiert.
Lilia und David Glanzmann, das Leitungsduo des Zeughauses, haben sich auf die Spuren des Originals gemacht, sind den Entwicklungsschritten nachgegangen, haben sich durch Archive gegraben, nach Zeitzeugen gesucht, Korrespondenz durchforstet und viele Bilder und Geschichten entdeckt. Das Material ist in fünf Kapitel gegliedert. Im ersten wird «Sabor» in seiner Zeit verortet und zugleich der Frage nachgegangen: Warum kam ausgerechnet ein Junge im Appenzellerland auf die Idee, einen Roboter zu bauen? Sogar einige Jahr bevor in Fritz Langs Film «Metropolis» der menschenähnliche Roboter Maria auftrat und eine breite Öffentlichkeit in die Kinos lockte.

Technikspezialisten in Ausserrhoden

Die Faszination und das Wissen für Automatisierung im Appenzellerland könnte mit der Verbreitung der Web- und Stickereimaschinen zusammenhängen. So stammt August Huber aus einer Webereifamilie, besass technische Kenntnisse und übersetzte sie kreativ andere Form. Ein weiteres Beispiel für technisches Spezialwissen liefert der 1810 in Herisau geborene Johann Bartholome Rechsteiner. Er arbeitete in Deutschland für ein fahrendes Automatenmuseum und reparierte deren empfindliche Apparate. Und Johann Heinrich Krüsi aus Heiden, ausgewandert nach Amerika, arbeitete als rechte Hand des Erfinders Thomas Alva Edison und konstruierte 1870 die erste Sprechmaschine, den Vorläufer des Grammophons. «Sabor»-Erfinder August Huber war also nicht der einzige, er steht aber im Mittelpunkt der Ausstellung, ihm ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Der dritte Teil der Ausstellung befasst sich mit den Entwicklern und Steuermännern «Sabors» – Frauen waren keine darunter. Denn «Sabor» konnte nicht autonom handeln wie etwa HAL 9000 aus Stanley Kubricks «2001: A Space Odyssey». Wenn der Teufener Maschinenmensch beispielsweise sprach, kamen die Worte aus der Zentrale, die zuvor die Fragen via Mikrofon empfangen hatte. Ständig wurde «Sabor» weiterentwickelt, zuletzt erhielt er einen Astronautenhut und einen weissen Anstrich.

Von Hula-Hoop zu ChatGPT

«Sabors» Geschwister werden im vierten Kapitel der Schau vorgestellt: Vom Pagen Kilian, dem «Hula-Hoop-Gritli», der «Jonglier-Susanne» und dem «Strick-Lineli» gibt es allerdings nur noch Fotografien – dafür aber sehr schöne. So sind auch die Reisen mehr als nur dokumentiert. Ihnen ist das fünfte Kapitel der Ausstellung gewidmet. Sehenswerte Bildstrecken zeigen, wie «Sabor» das Publikum faszinierte. Viele der Fotografien sind Originalprints, teilweise waren sie noch nie ausgedruckt. Somit ist die Ausstellung eine Entdeckungsreise durch umfangreiches und viel bisher unveröffentlichtes Material. Der Rechercheaufwand war immens und noch immer gibt es ungelöste Rätsel: Wer beispielsweise hat «Sabors» Kopf aus Kupfer gefertigt? Ist die Ähnlichkeit mit den Kostümen an der Metal Party 1929 am Bauhaus in Dessau zufällig? Und wer von der Geschichte aus nach vorn blicken will, kann das ebenfalls im Zeughaus Teufen tun. Das Rahmenprogramm verbindet «Sabor» mit Künstlicher Intelligenz und bietet Anlässe zu Robotik und Roboterethik.

Zeughaus Teufen, bis 9. Februar 2025