Kurz vor dem Schuss

by Kristin Schmidt

Anne Imhof stellt in den Metropolen Europas und Nordamerikas aus, nun ist sie in Bregenz zu Gast. Die deutsche Künstlerin steht für Coolness, Härte und Kollaborationen. Die aktuelle Schau hält jedoch auch fragile und intime Momente bereit.

Bregenz — Ein ungefähr Zwanzigjähriger räkelt sich auf der Matratzen eines Metallbettes. Selbstbewusst und befangen zugleich agiert er vor der Kamera. Schliesslich wird ihm eine Handfeuerwaffe gereicht, er hält sie sich an die Schläfe – er drückt nicht ab. Später richtet er die Pistole auf die Umrisslinien seines Körpers auf der Matratze und drückt ebenfalls nicht ab. Er kokettiert mit dem Tod, aber das Leben gewinnt. Die Szene stammt aus einem mehr als zwanzig Jahre alten Video von Anne Imhof. Im Kunsthaus Bregenz ist es gemeinsam mit fünf weiteren frühen Videos der deutschen Künstlerin zum ersten Mal in musealem Kontext ausgestellt. Imhof tritt auch selbst in diesen Filmen auf; aufgenommen wurden sie in ihrer damaligen Wohnung, die gleichzeitig Studio, Proberaum und Gym war. Arbeit, Leben, Liebe – alles fliesst in den Videos zusammen. Allen gemein ist der Charakter des Unfertigen, Brüchigen, Unvollkommenem. Nichts ist auf Perfektion getrimmt. Damit verleihen die Filme der Bregenzer Ausstellung sehr persönliche Momente. Mit der Verletzlichkeit der gezeigten Körper, den improvisierten Szenen können sie sich in der souverän gestalteten Schau behaupten.
Anne Imhof versteht die Architektur Zumthors und arbeitet mit ihr und gegen sie. Die Lichtdecken, die natürliches Oberlicht in alle drei Obergeschosse führen, sind verschlossen. Stattdessen brennt Kunstlicht. In der ersten und zweiten Etage taucht es den Saal in Signalrot, zuoberst hingegen in kaltes Weiss. Wo Zumthor trennende Wände oder Türen vermieden hat, platziert Imhof sogenannte Crowd control barriers: Absperrungen, die an Konzerten oder auf Festivals die Menschenmassen kanalisieren und stoppen. Die Barrieren reichen bis über Kopfhöhe und erlauben nur wenige Durchblicke. Ihre Aufstellung variiert leicht von Raum zu Raum und lässt im zweiten Obergeschoss Platz für die abgesenkte Decke: Imhof legt das Skelett der Lichtdecke frei. Die räumlichen Eingriffe und Barrieren bilden die Bühne für Imhofs Gemälde: Hyperrealistische Bilder von Explosionen und verfremdete Darstellungen des eingangs geschilderten Selbstmordmotivs. Die davor auf einen Sockel gehobene Ducati lässt sich ebenfalls als Verweis auf das Kokettieren mit dem Tod lesen. Mit dem Titel ‹My Own Private Idaho› bezieht sich das Werk jedoch auf den gleichnamigen Film und steht wie der Ausstellungstitel ‹Whish You Were Gay› für Imhofs Beschäftigung mit Queerness.

‹Anne Imhof – Whish You Were Gay›, Kunsthaus Bregenz, bis 22.9.
kunsthaus-bregenz.at