Caspar David Friedrich und die Vorboten der Moderne

by Kristin Schmidt

Das Kunst Museum Winterthur zeigt die erste grosse Einzelausstellung mit Werken Caspar David Friedrichs in der Schweiz. Es präsentiert den Künstler im Kreise von Zeitgenossen und Vorläufern. Dank der eigenen erstklassigen Bestände konnten Schlüsselwerke nach Winterthur ausgeliehen werden.

Über die Rückenfigur in Caspar David Friedrichs Gemälden wurde und wird viel geschrieben, ebensoviel über die Symbolik der Kreuze, Anker oder Schiffe in seinem Werk. Die Einen betonen das Politische im Werk des Künstlers, die Anderen das Religiöse und die Dritten sehen es von Krankheit beeinflusst. Das Kunst Museum Winterthur mischt sich in diese Debatten nicht ein – und tut gut daran. Es legt den Fokus auf Friedrichs Vorläufer und sein künstlerisches Netzwerk. Die Ausstellung ist aus den eigenen Beständen und jenen des Kooperationspartners Museum Georg Schäfer in Schweinfurt heraus entwickelt. Das Projekt ist ein geschickter Schachzug, denn es kommt den grossen Institutionen zuvor, die das Werk des Romantikers ab 2024 anlässlich seines 250. Geburtstages zeigen. Dann wird auch der Winterthurer ‹Kreisefelsen auf Rügen›, 1818 für längere Zeit auf Reisen gehen. Im Gegenzug sind nun andere Meisterwerke erstmals in der Schweiz zu sehen.
Am Anfang der Ausstellung stehen die Papierarbeiten. Sepiablätter zeigen, wie Friedrich von Adrian Zingg beeinflusst wurde. Der aus St.Gallen stammende Dresdner Akademieprofessor schilderte Szenerien jedoch pittoresk und anekdotisch. Friedrich hingegen setzt auf Reduktion und konstruiert erhabene Landschaften. Zingg brachte aus der Schweiz ausserdem sein Interesse für die unmittelbare Umgebung mit, statt sich wie Zeitgenossen auf ausgedehnte Italienreisen zu begeben. Friedrich tat es ihm nach und fand seine Sujets im Elbsandsteingebirge, im Riesengebirge oder in seiner Heimat Vorpommern. In Winterthur sind die Gemälde motivisch geordnet: die Seestücke, die Baumgruppen, die Gebirgsbilder. Überall führen sorgfältig ausgewählte Einschübe zu sehenswerten Nachbarschaften, so von Caspar David Friedrich und Jacob van Ruisdael. Friedrich kannte dessen Werke aus den Dresdner Gemäldesammlungen. In Winterthur zeigen sich die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede in Komposition und Farbe. Solche Vergleiche ermöglicht auch die prominente Hängung dreier Werke an der Stirnseite des Raumes: Gebirgslandschaften von Joseph Anton Koch und Carl Gustav Carus rahmen Caspar David Friedrichs ‹Der Watzmann›, 1824/25. Während Koch einen vielgestaltigen Gesamteindruck liefert, zeigt Carus eine realistische Naturschilderung. Friedrich hingegen baut dem Berg einen Sockel aus kahlen Hügeln und Felsen. In seiner künstlerischen Radikalität und Strenge brach er mit allen Konventionen der Landschaftsmalerei und steht an der Schwelle zur Moderne.