Obacht «Farbe»
Auftritt Zora Berweger
by Kristin Schmidt
Reliefs sind das Bindeglied zwischen der zweidimensionalen und der dreidimensionalen Welt. Sie besitzen die flächige Qualität eines Bildes und die räumliche eines Objektes. Zora Berweger arbeitet schon seit längerem aus diesem Grund mit Reliefs und reizt deren Grenzen beiderseits weiter aus: in Richtung Malerei als auch in Richtung Objekt. Die gebürtige Bernerin ist Bürgerin von Stein AR und hat bereits zweimal den Werkbeitrag der Ausserrhodischen Kulturstiftung erhalten. Sie formt ihre Reliefs unter anderem aus Salzteig, ein Material, das eher als Bastelmaterial bekannt ist denn als künstlerischer Werkstoff – und doch ist es für Zora Berweger genau das richtige: Er ist einfach herzustellen, leicht zu verarbeiten und besitzt eine besondere, raue Oberfläche. Salzteig besteht aus Getreide, Salz und Wasser. Angetan vom archaischen Charakter des Materials verzichtet die Künstlerin sogar darauf, ihre Objekte zu backen, sondern lässt sie einfach trocknen. Dazu passt auch die Bearbeitung mit der blossen Hand: «Ich will nicht gegen das Objekt arbeiten. Das Material fasziniert mich und ich untersuche, welch künstlerisches Potenzial darin steckt, welche Kraft es hat und welche aus den gewellten, den graden Linien und den einfachen Formen kommt.» Die Farbgebung unterstützt diese Kraft. Um nicht gegen das Objekt und seine fein strukturierte Oberfläche zu arbeiten, sprüht die Künstlerin die Farben flach und von den Seiten her auf. Damit betont sie die Dreidimensionalität des Reliefs. Zugleich verschwinden die Grenzen von Lichteinfall und Farbauftrag.
Hier hat die Künstlerin von der einen Seite her pink gesprüht, von der anderen her grün; damit entsteht eine irisierende Wirkung. Der ebenfalls abgebildete Farbkontrollstreifen ist wichtig für jede Reproduktion von Kunstwerken, denn die Kamera reagiert verwirrt auf besondere Farb- oder Lichtsituationen. Druckmaschinen hingegen sind stoisch: Sie verarbeiten die vorliegende Farbinformation, sie interpretieren nicht. Nur die Menschen an der Maschine können das Druckergebnis steuern und perfektionieren. Indem Zora Berweger den Farbkontrollstreifen integriert, verweist sie auf die Übersetzung: Das eigentlich spannende Objekt besteht aus Salzteig, hier ist es nur abgebildet. Aber es ist gestanzt, so lässt es sich herausnehmen. Dann jedoch fehlt auch der fotografierte Schatten – die Reproduktion wird zu einem neuen, eigenständigen Werk.
Obacht Kultur, Farbe, No. 46 | 2023/2