Das flimmernde Ja und das grelle Pink

by Kristin Schmidt

David Renggli spielt mit den Wörtern, Gedanken und Bildern. Der Zürcher Künstler lässt im Kunst(Zeug)Haus in Rapperswil Züge fahren, Gedanken kreisen und Farben knallen. So heiter und unbefangen die Werke daherkommen, so ernst und aktuell sind ihre Hintergründe.

Rapperswil-Jona — «SAY» fordern drei Versalien. Darüber radial ausgerichtete Streifen, darunter ein Halbkreis: Ein Sonnenuntergang aus Neonröhren. Unter der Horizontlinie kein gespiegeltes «Say», sondern ein spiegelverkehrtes Neon-«Yes». In krakeligen Buchstaben versinkt es zwischen flimmernden Linien: Das Ja geht unter – hier wie im Sexualstrafrecht. Der Nationalrat hatte noch im November der Forderung «Nur Ja heisst Ja» zugestimmt und damit den Tatbestand der Vergewaltigung neu klassifiziert. Im Ständerat wurde daraus ein weniger weitreichendes «Nein heisst Nein». David Renggli bezieht sich mit ‹Say Yes› nicht ausdrücklich auf diese Entscheidung und doch: Seine Arbeiten im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil zeigen deutlich, dass ihm diese Themen weder fremd noch egal sind. Die Ausstellung ist in zwei Teile gegliedert und das ist eine gute kuratorische Entscheidung. Der grösste Bereich im Obergeschoss ist ‹Untitled Train› vorbehalten. Hier hängen keine Gemälde, keine Leuchtschrift, nichts an den weissen Wänden. Der Fokus liegt vollständig auf sich durch den Raum schlängelnden, schwarzen Modelleisenbahnschienen. Sie nehmen einerseits Bezug auf das geschwungene Oberlicht und stehen andererseits in Kontrast zu den spitzwinklig aufeinander zulaufenden Dachsparren, den Pfeilern und dem Weiss des Raumes: eine hochästhetische Bodenzeichnung. Und mehr als das: Auf den Schienen ziehen fünf Modelleisenbahnloks kunterbunte Waggons hinter sich her. Beschriftet sind sie mit Seufzern, Gedankensplittern, Alltagsweisheiten und schliesslich einem «Noch wach». Spätestens hier kommt das hochaktuelle und doch versinkende Ja ins Spiel: Das Wortpaar bezieht sich auf Benjamin von Stuckrad-Barres kürzlich erschienenes, gleichnamiges Buch über den strukturellen Machtmissbrauch im Mediengeschäft. Gilt dort ein «Nein»? Wie verhält es sich dort mit «wollen können müssen»? – Wörter, die ebenfalls auf den kleinen Waggons stehen.
David Renggli lässt alles offen, er deutet lieber an. Spielerisch und vieldeutig flicht er zeitgenössische Bildwelten, Denkmuster und Themen ineinander. So mixt er in Leuchtkästen Klatsch und Erotik aus der Boulevardpresse mit Reklamesujets und Kunstzitaten oder malt seine ‹SUV-Bilder› auf Bettbezüge aus dem Brockenhaus: Ethnokitsch, Dollarnoten, Disneymotive mischen sich mit albernen Autonamen, Penissymbolik und imitierten Wasserzeichen. Die Farben knallen, Kermit lacht in Pink, ein Besen wischt alles beiseite – die Welt dreht sich schnell, was heute noch gilt, ist morgen vielleicht ganz anders.

→ ‹David Renggli – Jahrmarkt der Gefühle›, Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil-Jona, bis 6.8.
↗ www.kunstzeughaus.ch