Kaspar Toggeburger

by Kristin Schmidt

Winterthur — Der weibliche Akt steht im Zentrum: Er beherrscht das Format, ist zum Torso fragmentiert und behält doch seine kraftvolle und monumentale Körperlichkeit. Kaspar Toggenburger (*1960) dekliniert das klassische Sujet des Frauenaktes durch. Rückenansichten, Vorderansichten, liegende und halbaufgerichtete Torsi dominieren die aktuellen Gemälde in der Kabinettausstellung im Antiquaritat Harsch in Winterthur. Die üppigen Volumina sind mit vehementen Pinselstrichen und in kontrastierenden Farben herausgearbeitet. Violett trifft auf Türkis, Blau auf Gelb, Grün auf Rot. Besonders akzentuiert Toggenburger das Oval der Bein- und Armstümpfe und damit die Verstümmelung der Torsi. Dort, wo die Rümpfe ihren Kopf noch haben, gleicht dieser einem Totenschädel: Die Augenhöhlen sind leer, das Haupt ist kahl.
Die Akte sind mit brachialer Geste versehrt – mit dem Titel ‹Marignano› setzt Toggenburger bei einem Männerakt den Kriegsbezug. Auch die Kunstgeschichte ist nie weit entfernt: Während die Expressionisten und Neoexpressionisten stilistisch präsent sind – Toggenburger hat in den 1990er Jahren unter anderem bei A. R. Penck studiert, verweisen die Motive teilweise weiter in die Vergangenheit, etwa mit den Odalisken oder der ‹Susanna im Bade›. Indem Toggenburger die Odalisken auf Sockeln malt, löst er sie von der unmittelbaren Körperdarstellung und überführt sie auf eine übergeordnete Referenzebene: Er präsentiert, was bereits präsentiert wird.
Einen anderen Weg geht der Künstler mit seinen ‹Skizzenketten›. Ausgehend von einer einfachen Schwarzweisskopie einer Fotografie, einer Reproduktion oder einem gezeichneten Motiv entwickelt er gezeichnete Bilderzählungen. Toggenburger löst Figuren aus Kontexten, stellt sie in neue, er überführt tradierte Motive in die Gegenwart und von dort zurück ins Allgemeingültige. So taucht neben Hans Baldung Griens berühmten ‹Zwei Hexen›, 1523, ein Auto auf und schliesslich ein übergriffiger, bebrillter Mann; aus einer Frau mit gespreizten Beinen wird eine amöbenhafte Gestalt; ein ‹Susanna im Bade› bedrängender Mann fällt nach hinten über, um schliesslich in einem Fussballtor zu landen. Körper werden durch Zeit und Raum transformiert und bleiben doch immer Körper. Diese Skizzenketten sind nicht in der hierzulande gewohnten Leserichtung gehängt, sondern vertikal montiert. Derzeit werden sie auch im Kontext einer Max Beckmann-Retrospektive in Braunschweig gezeigt.

→ Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, bis 12.2.
↗ www.3landesmuseen-braunschweig.de/herzog-anton-ulrich-museum

→ Antiquariat und Galerie im Rathausdurchgang, Winterthur, bis 14.1.
↗ www.antiquariat-harsch.ch