Ollie Schaich, FREE HAND, 2022

by Kristin Schmidt

Mach, was du willst! – ein Satz, der sich je nach Betonung unterschiedlich interpretieren lässt: als Ausdruck enervierter Resignation, als Aufruf zum eigenständigen Handeln oder als Aufforderung, die eigenen Ideen frei in die Tat umzusetzen. Die letztgenannte Bedeutung entspricht der Carte blanche, der «weissen Karte». Wer sie erhält, hat Gestaltungsfreiheit. Zwar hat jede Carte blanche einen Rahmen, der sich im Obacht Magazin etwa durch das Heftformat und den Umfang ergibt. Aber darüber hinaus haben die Künstlerinnen und Künstler freie Hand. Ollie Schaich hat diese Ausgangslage wörtlich genommen, die Carte blanche und die freie Hand, und sie schlüssig übersetzt. Eines der zentralen Merkmale seiner Gestaltung ist die Reduktion. Was kaum mehr zu minimieren scheint, hat er nochmals reduziert: Das Papier präsentiert sich auf den ersten Blick makellos weiss, unbedruckt, ungestaltet. Wer dieses Blatt jedoch in die Hand nimmt und gegen eine Lichtquelle hält, entdeckt ein Wasserzeichen. Seit Jahrhunderten dienen Wasserzeichen dazu, ein Papier zu markieren, es als echt zu kennzeichnen. Erstellt werden sie durch ein Motiv im Schöpfsieb – die Papierdichte ist dort reduziert, das Motiv scheint durch. Wiesen sich damit anfangs die Handwerksbetrieben als Urheber des geschöpften Papieres aus, dienen Wasserzeichen später unter anderem bei Geldnoten als Sicherheitsmerkmal. Ollie Schaich verwendet ein eingedrucktes Wasserzeichen, ein sogenanntes inmarque watermark system: In Grossbuchstaben steht «FREE HAND» auf dem weissen Papier. Diese zwei sogenannten Four-Letter-Words fügen sich in ein Langzeitprojekt Ollie Schaichs. Seit einigen Jahren sammelt der Künstler und Grafiker diese vierbuchstabigen Wörter und hat sie bereits in einem Buch versammelt: von PING PONG bis HONG KONG, von TAKE bis CARE, von OPEN bis MIND. Die Wörter sind kurz, stark und prägnant. Unterstützt wird diese Kraft von der einfachen, fetten Schriftart. Nicht zuletzt deshalb liest sich FREE HAND wie eine Aufforderung, die Carte blanche selbst zu nutzen: Das weisse Blatt ist glatt, makellos und gerade dadurch für vieles offen. Es kann gefaltet, beschrieben, bemalt und bekritzelt werden. Es ist selbst bereits gestaltet, aber auf reduzierte und klare Art und Weise – die perfekte Ausgangslage fürs Weiterdenken, Weitergestalten, Weiterentwickeln.

Ollie Schaich, Grafiker an der Schnittstelle zur Kunst, geboren 1982 in St.Gallen, aufgewachsen in Trogen, lebt in St.Gallen und Berlin

«Obacht Kultur» N° 44, 2022/3