Entscheide. Dich. Jetzt.
by Kristin Schmidt
«Ja Nein Vielleicht» – in den vergangenen zweieinhalb Jahren waren ungeahnte und weitreichende Entscheidungen fällig. Dies nimmt der Verein Kunsthalle[n] Toggenburg zum Anlass für die aktuelle arthur-Ausstellung und fächert das Thema in viele Richtungen auf. Versammelt sind Werke von 21 Künstlerinnen und Künstler in der Probstei St.Peterzell.
Rechts oder links? Stadt oder Agglo? Brust oder Keule? Hund oder Katze? Ja oder nein? Beim Einkaufen, unterwegs, auf dem Stimmzettel, bei der Impfung, beim Medienkonsum – ständig sind Entscheidungen fällig, das ganze Leben lang. Manchmal gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Manchmal ist auch ein Vielleicht möglich. Wann ist eine Auswahl freiwillig, wann ist sie notwendig? Ob Multioptionsgesellschaft oder die grossen Lebensfragen – Vieles verlangt eine Entscheidung. Organspenden oder nicht? Wahrheit oder Fake? Reparieren oder wegschmeissen? Wo anfangen? Wo aufhören?
Kann die Kunst weiterhelfen? Der Verein Kunsthalle[n] Toggenburg widmet sich mit der sechzehnten Ausgabe von arthur dem weiten Feld der Entscheidungen. Die nomadische Ausstellung spannt diesmal zusammen mit dem Verein Ereignisse Propstei St. Peterzell. Fast zwei Dutzend Künstlerinnen und Künstler nähern sich dem Thema auf erwartungsgemäss sehr unterschiedliche Weise an. Die Präsentation ist dicht, reicht von Objekten, Malerei, Zeichnung über Installationen bis hin zu Soundarbeiten. Sie beginnt vor dem Haus und reicht bis in den Dachspitz hinein. Sie umfasst Neues, eigens Entwickeltes und Bestehendes und knüpft oft an Momente an, die kaum jemandem fremd sind, weil das Thema unseren Alltag prägt.
Anita Kuratle aus Basel beispielsweise stellt das Warten ins Zentrum ihrer Arbeit. Die aus Papier geschnittenen Korbstühle und die von Kritzeleien inspirierten Objekte rufen Situationen in Erinnerung, die jede und jeder kennt: Soll ich noch warten oder kommt er doch nicht mehr? Der Bus? Der Anruf? Der ersehnte Mensch? Ursula Anna Engeler aus Romanshorn fokussiert auf Entscheidungen, deren Tragweite um den ganzen Globus reicht. Aus Etiketten in Bangladesh hergestellter Textilien hat sie ein Kleid zusammengenäht und spielt auf die Arbeitsbedingungen der Näherinnen ebenso an wie auf die Klimafolgen des ungezügelten Kleiderkonsums. Der Liechtensteiner Martin Walch hat vielarmige Wünschelruten aus Christbaumspitzen geschnitzt und stellt damit die Schwierigkeit sich zu entscheiden in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Orientierung zu finden ist nicht immer und nicht für alle leicht, da geraten mitunter auch abwegige Entscheidungshilfen ins Visier. In den Zeichnungen der Ausserrhoderin Harlis Schweizer Hadjidj spiegeln sich sehr anschaulich die künstlerischen Entscheidungen. Jeder Strich, jede Farbe, jede Fläche auf dem Format ist das Ergebnis einer bewussten Auswahl. Dabei testet die Künstlerin Grenzen aus, was notwendig ist, um ein Haus, einen Hügelzug oder eine Jahreszeit erkennbar machen zu können. Die Liechtensteinerin Barbara Geyer stellt in den Dachstock der Probstei ein stählernes Wasserbecken. Ein automatisch betriebener Arm erzeugt von Zeit zu Zeit Wellen und eine Lichtquelle sorgt für Reflexion der bewegten Oberfläche an der Dachschräge. Sie lassen sich nicht vorhersagen, sie entfalten ihre eigene Dynamik und Schönheit. Die Künstlerin liefert damit ein schlüssiges Bild für die grosse Rolle des Zufalls inmitten aller Entscheidungsgewalt oder wie es Wilhelm Busch auf den Punkt gebracht hat: Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt.