Geschüttelt, nicht gerührt
by Kristin Schmidt
Bregenz — Davidstern, Herz, Rose, Rune, Christuskreuz – Jordan Wolfson (*1980) gibt Symbole, Wörter, Zeichen und Bilder in einen imaginären Mixer: Einmal kräftig aufgedreht und heraus kommt eine wilde Mischung, die sich wahlweise als Rassismus- oder Antisemitismuskritik lesen lässt, in der Künstliche Intelligenz oder Homosexualität aufblitzen, die popkulturelle Phänomene oder die Angst vor Viren enthält. Funktioniert diese Gemengelage als Gesellschaftskritik? Oder drängt sich anderes in den Vordergrund?
Das Kunsthaus Bregenz zeigt knapp zwanzig Arbeiten von Wolfson. Der «Female Figure», die 2014 im Rahmen der Art Basel Aufsehen erregte, wird dabei ein ganzes Stockwerk zugewiesen. Andere Werke teilen sich einen Raum. Alle jedoch profitieren von der kühlen Ästhetik des Zumthor-Baus. Sie bildet den idealen Rahmen für die formal heterogenen und mit vielen Themen bestückten Arbeiten. So können die Wandobjekte mit Dächlein, Ketten und Riemen, mit Fotomontagen und Bibelzitaten, mit Anspielungen auf jüdische, christliche und kolonialistische Erfahrungen problemlos neben «Artists Friends Racists», 2020 bestehen, obgleich letzteres Werk technisch ungleich komplexer ist: Zwanzig Hologramm-Ventilatoren drehen sich mit hoher Geschwindigkeit und erzeugen die Illusion von Bildern, die im Raum schweben. Vor wenigen Monaten war das Werk an der Art Unlimited zu sehen, nun also in Bregenz: Emojis, Davidsterne, die Arme einer Comicfigur erscheinen und verschwinden wieder, genau wie die drei titelgebenden Wörter, wie Beispiele für Black Facing oder Motive von Breughel und Caravaggio. Aber weder die zwanzigfache Multiplikation der Bilder noch ihr schneller Wechsel können die Themen oder eine Haltung dazu schlüssig transportieren und folglich Reaktionen provozieren. Was bleibt, ist der Eindruck technischer Finesse und suggestiv kombinierter Bilder. Auch «Female Figure» verdankt seine Faszinationskraft stärker technischen Aspekten als diskursiven Qualitäten zu Themen wie sexulisierter Gewalt, Rollenzuschreibungen oder humanoider Robotik. Ansätze dafür finden sich zwar in den Schmutzspuren auf Körper und Kleidung der Figur, ihren offen liegenden Schultergelenken und ihren Blickkontakten dank Gesichtserkennungssoftware, aber insgesamt dominiert auch hier die Form den Inhalt. Wichtige Themen werden nur gestreift, differenzierte Auseinandersetzungen findet nicht statt – ein Spektakel ohne Nachhall.