Kunst über Kunst

by Kristin Schmidt

Brian O´Doherty wechselte als Protest gegen die Präsenz des britischen Militärs in Nordirland seinen Namen zu Patrick Ireland und schrieb unter drei anderen Pseudonymen Bücher und Essays. Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt den Künstler, Kritiker und Theoretiker im Spiegel künstlerischer Weggefährtinnen und -gefährten.

Vaduz—«Ich habe das Selbst nie als eine stabile Grösse aufgefasst, sondern als eine fluide, mehrwertige Reihe von Anpassungen an inneren und äusseren Druck, die verschiedene Personae hervorbringen.» so Brian O´Doherty 2008 zu seiner Biografin Brenda More-McCann. Diese Aussage umfasst weit mehr als Veränderungen von Arbeitsweisen und künstlerischem Selbstverständnis über die Zeit. O´Doherty umschrieb damit seinen freien Umgang mit Zugängen zur Kunst und mit seinem Ich. Er arbeitet seit 1957 als Künstler, Kunstkritiker, Schriftsteller und Filmemacher, publizierte als Autorin und inszenierte sich auch fotografisch in verschiedenen Identitäten. Seit langem pflegt O´Doherty ein enges Netzwerk zu Künstlerinnen und Künstlern. Dieser Austausch ist zentral für seine künstlerische Arbeit und seine theoretischen Auseinandersetzungen mit Kunst. Es ist also überaus schlüssig, wenn das Kunstmuseum Liechtenstein mit ‹Brian O´Doherty. Phases of the Self› nicht einfach eine monografische Ausstellung des Künstlers präsentiert, sondern dessen Werke in Beziehung setzt zu Arbeiten Anderer aus der Sammlung des Museums. Ein Schlüsselwerk dafür ist ‹Divided Self›, 1968: Der kleine, zweiteilige Kasten ist an seinen Seitenflächen durchfenstert und im Inneren mit diagonal gestellten Spiegeln ausgestattet. Er ermöglicht unterschiedliche Einblicke und erwidert diese mit immer anderen Ausblicken. Er zeigt, was sich ausserhalb seines hellblauen Körpers befindet, verleibt sich die Spiegelbilder ein und verändert damit zugleich die Sicht auf das Gespiegelte.
Umgeben ist das Objekt von Werken von Künstlerinnen und Künstlern, die ebenfalls auf die Kunst anderer referieren oder das Prinzip der Autorschaft untersuchen. Gezeigt werden beispielsweise ein raumtrennender Vorhang von Charlotte Moth als Kommentar zu O´Dohertys Theorien zum White Cube, Marcel Broodthaers´ ‹La Signature de l´artiste› oder Saâdane Afifs Dokumentation der Wirkungsgeschichte von Duchamps ‹Fountain›. Marcel Duchamp ist eine zentrale Figur in diesem Geflecht dank seiner künstlerischen Radikalität, seinem Spiel mit Identitäten und seiner Reflexion der eigenen Arbeit. So zeigt das Kunstmuseum verschiedene Versionen seiner Schachteln mit Faksimiles und Reproduktionen. O´Doherty bat Duchamp um Erlaubnis, dessen Herzfrequenz aufzeichnen zu lassen, bettete das Elektrokardiogramm in eine eigene Schachtel und dreht damit die Rezeptionsgeschichte eine Runde weiter.