Singen über Grenzen hinweg

by Kristin Schmidt

Musik verbindet. Musik lässt Grenzen, kulturelle und gesellschaftliche Barrieren hinter sich. Binsenweisheiten? Vielleicht; aber Musik erreicht all das nur, wenn ihr verbindender Charakter gelebt wird, so wie bei Joana Obieta. Die junge Sängerin ist im Tango ebenso zuhause wie in der Weltmusik, liebt Jazz und Funk ebenso wie kubanische Rhythmen. Zuerst allerdings war sie umgeben von Klassik, denn Joana Obieta wuchs in einer Familie auf, in der Grosseltern und Eltern klassische Musik auf höchstem professionellen Niveau betreiben. So war Instrumentalunterricht für Joana Obieta beinahe selbstverständlich: Sie spielte acht Jahre lang Blockflöte, parallel dazu zwei Jahre lang Kontrabass und begann mit 13 mit dem Saxophon. Zuvor war, als sie zehnjährig die erste Staffel von «Deutschland sucht den Super Star» gesehen hatte, die Stimme dazugekommen: «Wir haben das en famille geschaut und begeistert begann ich mit Gesangsstunden.» Aber Joana Obieta erlebte Gesang nicht nur vor dem Fernseher: «Dank meines Vaters, damals Solokontrabassist im Sinfonieorchester St.Gallen, bin ich praktisch im Theater aufgewachsen. Nach der Aufführung von `Fame´ wollte ich Musicalsängerin werden. Tanz, Gesang und Schauspiel kombinieren zu können, schien mir damals unschlagbar.» Das Musical vermochte Joana Obieta aber nicht dauerhaft zu fesseln. Einerseits hatte sie bereits in der Schulzeit eine eigene Band gegründet, andererseits hatte sie nach der Matura begonnen, regelmässig nach Lateinamerika und vor allem nach Kuba zu reisen, und war fasziniert von den vielfältigen Rhythmen.

Zwar entschied sich Joana Obieta zunächst für ein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften in Zürich, «aber die Musik zum Beruf zu machen, hat mich nicht losgelassen.» Zum Glück, denn ihr gelang, wovon viele träumen: Joana Obieta wurde am renommierten Berklee College of Music in Boston aufgenommen. Vier Jahre lang hat sie nicht nur Musik auf höchstem Niveau studiert, sondern auch ein ausgezeichnetes Netzwerk aufgebaut und einen Businessabschluss erworben, der sich als gute Basis für ihre Projekte erweist: «Viele sind ausschliesslich fokussiert auf ihre Musik. Ich warte aber nicht gern auf Gelegenheiten, sondern schaffe lieber selber welche. Ich organisiere Konzerte, Festivals und Auftrittsmöglichkeiten. Auch wenn es eine finanzielle Herausforderung ist, schätze ich momentan das Leben ohne Festanstellung. Es gibt mir die Freiheit, meine Projekte weiterzuentwickeln.» Dazu gehört auch ihre eigene Startupidee, mit der sie bereits im Silicon Valley eingeladen war: Musik wird eingesetzt, um die interkulturelle Kommunikation und die gegenseitige Empathie zu fördern. In ihrer international zusammengesetzten Band DEJÀN funktioniert dies seit langem: «Die Kreativität und der Input aller Bandmitglieder macht die Musik für mich zu einem Ganzen. Ich entwickle nicht gerne alleine ganze Arrangements im dunklen Kämmerchen.» Und dank der organisatorischen Ader der jungen Sängerin ist DEJÀN nicht nur in den USA zu hören: «Zwar braucht es einen Rieseneffort, um über die Distanz etwas zu organisieren, aber mir sind die Verbindungen wichtig.» Und so werden DEJÀN und Joana Obieta auch immer wieder in der Ostschweiz zu hören sein.

Joana Obieta (*1992) studierte Kommunikationswissenschaften an der Universität Zürich und Gesang, Business und Performance am Berklee College of Music. Joana Obieta lebt in New York City.

Obacht Kultur, No. 35 | 2019/3