Komposition und Konfrontation
by Kristin Schmidt
«Es gibt für jedes Bild nur einen besten Platz» – Thomas Struth ist für seine Ausstellung in der Hilti Art Foundation keinen Kompromiss eingegangen. Im Erweiterungsbau des Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz zeigt er seine Begeisterung für die Kunst und für deren sorgfältige Präsentation.
Ist der Mensch der grosse Abwesende in den Arbeiten von Thomas Struth (*1954 in Geldern, Niederrhein) oder steht er in deren Zentrum? In der Serie der Museumsfotografien scheint die Antwort klar zu sein, zeigt sie doch Menschen in Betrachtung von Kunstwerken. Porträts liefern diese Bilder allerdings nicht, vielmehr untersuchen sie Präsentation und Repräsentation, Attitüden und Konfrontationen. Beispielsweise in «Museo del Prado 2», Madrid 2005: Zwei heutige Betrachterinnen begegnen zwei Gemälden Velázquez´ und damit verbinden sich zwei sehr unterschiedliche Welten. Diese Verbindungen treibt Thomas Struth nun in seiner ersten selbst kuratierten Ausstellung weiter. Unter dem Titel «Composition ´19» lässt er 13 seiner eigenen Werke aus der Vaduzer Hilti Art Foundation mit 17 Gemälden und Plastiken anderer Künstler aus ebendieser Sammlung in einen Dialog treten. Das ist insgesamt eine überschaubare Zahl an Werken, aber auch darin liegt eine Stärke der Ausstellung. Sie ist nicht überfrachtet in dem Bestreben möglichst viel zu zeigen, sondern inszeniert mit höchstem Augenwerk eine geistreiche Zwiesprache. So ist der Fotografie aus dem Prado ein weiblicher Torso von Wilhelm Lehmbruck an die Seite gestellt: Das grosse Spektrum der Selbstinszenierung trifft auf eine vergeistigte Idealgestalt. Gegenüber hängen zwei Aufnahmen Struths aus einem Schaltwerk in Berlin. Die bunten Apparaturen wirken, als seien sie dem Triadischen Ballett Oskar Schlemmers entsprungen, nur der etwas versteckte Hubwagen offenbart ihre gigantischen Dimensionen. Struth zeigt die Technik nicht um ihrer selbst willen, sondern widmet sich ihrer Ausstrahlung: Was erzählen die Dinge über Aufwand, Besessenheit, Visionen und Begeisterung? In dieses Konzept passen auch die drei Gemälde Konrad Klaphecks, das Bild von Fernand Léger oder die Plastik von Alexander Calder im nächsten Stockwerk. Sie korrespondieren mit Struths Fotografien aus dem Institut für Plasmaphysik, einer Frackingszene und einer südkoreanischen Stadtlandschaft – eine Zusammenstellung, die zwar Erkenntnisse liefert, aber ihnen nicht vordergründig unterworfen ist. Stattdessen bereitet sie zuallererst einmal Sehvergnügen. Das ist der Idealfall: Der lange kuratorische Arbeitsprozess – Struth hat sich über anderthalb Jahre hinweg immer wieder mit der Sammlung der Hilti Art Foundation auseinandergesetzt – verschränkt die Werke visuell und inhaltlich und erlaubt einen ebenso sinnlichen wie gedanklichen Zugang.