Im globalen Sprachstrom
by Kristin Schmidt
Vaduz: Reklameslogans haben längst die Alltagssprache erobert. Redewendungen wiederum werden in Werbesprüche verwandelt, inklusive grammatikalischer Fehler. Politische Floskeln verselbständigen sich. Sprachkürzel ersetzen Ausführlichkeit und Vielfalt. Die Sprache wandelt sich, die Übergänge werden nahtloser – eine Entwicklung, die Nora Turato (*1991 in Zagreb) täglich verfolgt, sich aneignet und mitgestaltet. Die in Amsterdam lebende Künstlerin zapft per Smartphone den unablässig fliessenden und stetig anschwellenden Sprachstrom an. Sie verschmilzt die Textsorten zu einem neuen, alles umfassenden Script, das sie publiziert und vorträgt.
Das Kunstmuseum Liechtenstein verbindet die verschiedenen Aspekte von Turatos Arbeit in einer sich über alle vier Räume des Obergeschosses erstreckenden Ausstellung, die in dieser Grösse aber auch ihre Schwäche zeigt. So verlieren die wandfüllenden Satzfragmente in der systematisierten Handschrift einerseits an Intensität durch ihre Dimension und andererseits durch die Überlagerung und Aneinanderreihung. Auch der Einbezug der Museumssammlung kippt mal ins Anekdotische mal ins Didaktische. Die zwei eigens angefertigten Holztische bleiben in ihrer Materialität Fremdkörper in der Ausstellung – da hilft auch die Dopplung nicht.
Die stärksten Elemente der Schau sind zwei minimalistische Objekte, die sich auf moderne und modernistische Architektur beziehen und als Bezugspunkte für Turatos Performances funktionieren. Das eine zitiert Glas-Metall-Konstruktionen wie sie in Busbahnhöfen oder Flughäfen zum Einsatz kommen, um dem Warten eine Struktur zu geben, es aber doch nicht zu einladend werden zu lassen. Das andere Objekt hat seine formalen Ursprünge in der 1926 konzipierten Frankfurter Küche, die heutzutage zur Kochinsel mutiert ist. Allerdings fehlen die Herdplatten und der Wasseranschluss. Stattdessen sorgt eine funktionierende Smartphone-Ladestation für den Anschluss zur virtuellen Welt.
Wozu Kochen, wenn man twittern kann? Immer neue Wortmengen ergiessen sich in den globalen Textfluss. Auch in ihren Performances – an der Biennale Venedig 2015 und der letztjährigen Manifesta mit grosser Aufmerksamkeit bedacht – kanalisiert Turato die Sprache zwar, zeigt aber auch die Unendlichkeit der möglichen Textproduktion. Da ist es gut, dass der Spüle des Küchenobjektes der Ausgussfilter fehlt, so kann sich der Wörterstrom noch schneller ins Nichts ergiessen.