St.Gallen: Florian Graf – Kammermusik im Lagerhaus

by Kristin Schmidt

Fabrikhallen, Remisen, Lagerhäuser sind längst als Kulturorte etabliert. Sie sind gross, vergleichsweise günstig und vor allem bieten sie als architektonische Zeugnisse einer produktiven Zeit gute Reibungsflächen für die Kunst. Auch Florian Graf nutzt solche konkreten Vorgaben der Architektur und arbeitet zugleich weit über sie hinaus.

Drehmoment der Ausstellung Florian Grafs in der Kunst Halle Sankt Gallen ist die Triade. Die drei Ausstellungsräume in einem ehemaligen Lagerhaus bespielt der Kosmopolit mit Appenzeller Wurzeln mit drei Elementen in drei Farben und in für jeden der drei Räume verschiedenen Dimensionen und Materialien. Jedes der drei Elemente verweist für sich genommen auf architektonisches Formenvokabular aus den Bereichen Statik, Ornament und Repräsentation.

Den ersten Raum dominieren die Elemente architektonisch. Sie sind Stütze, Gebäude und Portal. Sie reichen sie bis zur Decke und verschmelzen mit dem Raum, da sie dessen Pfeiler umgeben und somit deren tragende Funktion imitieren. Sie bilden in ihrer hochartifiziellen Ästhetik den grössten Gegensatz zur Lagerhallenumgebung und lassen dennoch den Raum als begehbare städtische Zone wirken. Der zweite Raum zitiert mit Mobiliar und Farbigkeit eine Wohnsituation. Die drei Elemente sind diesmal aus glasierter Keramik und erscheinen als Designobjekt mit untergeordnetem Gebrauchswert. Im dritten Raum wird die Farbigkeit, das Lila, Gelb und Grün, von Kerzen, Blüten und Pflanzen getragen. Die drei Elemente sind hier aus Chromstahl, stehen auf Sockeln und dienen als Brunnen, Skulptur oder .

Unwillkürlich fällt der Blick von den natürlich unnatürlichen Pflanzungen innerhalb des Raumes auf den Aussenraum der Kunsthalle. Auch hier: gebändigte Natur, Natur in Anführungszeichen, Natur, die kaum noch natürlich ist, aber als solche einen Zweck erfüllen soll. Diese Instrumentalisierungen des Raumes interessieren Florian Graf ebenso wie die Wirkung dieser eigens gestalteten Räume auf die Menschen. Welchen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen sollen Innen- und Aussenräume, private und urbane, naturnahe und öffentliche Räume dienen? Wie wird der Raum physisch und emotional erlebt? Wie lässt sich menschliches Verhalten durch räumliche Setzungen manipulieren? Florian Graf geht für seine Arbeit von Architektur- und Stadtplanungstheorien sowie von eigenen Beobachtungen und Studien aus. Und er bringt es in eine ebenso reduzierte wie universale Form. So kann auch der Ausstellungstitel „Chamber Music“ in dreierlei Hinsicht gelesen werden: als Anspielung auf die multifunktionale Kammer, als Hinweis auf die virtuosen Variationen über ein Thema und als Einladung zu einem sinnlich konzentrierten Erlebnis.