Der Hund als Kuh und umgekehrt
by Kristin Schmidt
Willy Künzler für Obacht-Kultur
Die Kuh zeigt ihre Reisszähne. Weit bleckt sie ihre Zunge heraus. Hässig sieht sie aus und gestresst. Die Augen sind nicht mehr gross, schwarz und sanft, sondern mit kleiner Iris im umgebenden Weiss. Willy Künzler (*1930) schenkt der geduldigen Kuh einen Hundekopf, einen grimmigen Blick und scharfe Zähne. Soll sie sich wehren können? Oder ist es anders herum? Hat der Bläss einen Kuhkörper erhalten, um doppelt nützlich zu sein? In dieser hybriden Gestalt könnte er die Herde eintreiben und obendrein als Milch- und Fleischlieferant dienen.
Willy Künzler ist ein kritischer und aufmerksamer Geist. Der im Buchberg bei Thal aufgewachsene und heute in Stein lebende Maler bildet die Welt nicht so einfach ab, so wie sie sich oberflächlich betrachtet darstellt. Seit er 1996 begonnen hat, künstlerisch zu arbeiten, kommentiert mit seinen Bildern die grösseren Zusammenhänge rund um aktuelle politische und gesellschaftliche Erscheinungen – schweizweit, aber auch lokal, ausserrhodisch, appenzellisch. Besonders haben es ihm die landwirtschaftlich genutzten und ausgenutzten Tiere angetan. Sie sind mal Hauptakteur in seinen Bilderzählungen, mal bleiben sie im Hintergrund, immer jedoch behandelt sie Künzler mit dem ihm eigenen Gespür für die Würde dieser Lebewesen. So stellt er ihnen auch einen besonderen, eigens erfundenen Schutz zur Seite: Kuh-Engel wachen, mahnen und sie fordern einen achtsamen und dankbaren Umgang mit Natur und Kreatur.
Obacht Kultur No. 18, 2014/1