Die Summe der Farbfelder
by Kristin Schmidt
Arnaldo Ricciardi stellt seine Gemälde in der Vadianbank aus. Der Künstlers aus St.Gallenkappel beschäftigt sich mit der Wirkung von Farbflächen und ihrer Organisation auf der Leinwand.
Die Oberflächen sind plastisch und bleiben doch Malerei: Die Farbe klumpt und bildet Inseln in der dominanten Fläche. Mit dem Spachtel wird das pastose Material auf- und wieder abgetragen. Das Werkzeug hinterlässt Spuren, es schiebt das Material über die Leinwand. Die verkrustete Farbe lagert sich auf der unebenen Fläche ab, wird überstrichen und sorgt für neue Verwerfungen und Kerben
Malerei ist für Arnaldo Ricciardi ein sinnliches Phänomen, ohne anekdotisches Beiwerk und Beliebigkeit. Der Farbkanon ist sparsam und konzentriert und nicht zuletzt daraus beziehen die Bilder ihre Wirkung. Helle Töne werden über dunkle gelegt und manchmal umgekehrt. Meist ist die oberste Schicht ein Weiss- oder Grauton, selten ein leuchtendes Rot oder Blau. Aus tieferliegenden Ebenen scheint Gelb oder Grün hervor.
Über Emil Schumachers Bilder war einmal zu lesen: «Je mehr man das Geheimnis lüftet, das ein Bild hat, desto mehr verliert es.» Dies gilt auch hier – Ricciardi deckt seine Bilder mit jedem Arbeitsschritt weiter zu. Doch während Schumacher als einer der bedeutendsten Künstler des Informel in seinen kraftvollen Bildern auf ein konstruktives Gerüst verzichtet, bezieht sich Ricciardi auf das Rechteck der Leinwand als kompositorische Ausgangslage. Auch wenn die Farbflächen im Bild keine geschlossenen Konturen aufweisen, orientieren sie sich doch am Bildrand. Dynamik entsteht, wenn sie leicht vom rechten Winkel abweichen, die gedachte Vertikale verlassen wird oder die oberste Fläche über eine Seite des Bildrandes hinausreicht.
Der Künstler aus St. Gallenkappel setzt sich mit der Farbmaterie auseinander, aber auch mit dem Bildraum. Da er Schicht über Schicht, Fläche über Fläche legt, ist die oberste Farbfläche schliesslich die Summe aller darunterliegenden Farbschichten. Auf diese Weise bildet die Farbmasse einen blockhaften Körper. Dies entfaltet seine Wirkung besonders im Kontrast zum Ausstellungsraum. Ricciardis Gemälde sind derzeit im Untergeschoss der Vadianbank in der Webergasse zu sehen. Der Raum hat ein wuchtiges Gewölbe und tiefe Wandnischen. Diese Leerräume unterstützen die Plastizität der Bilder Ricciardis: Das geometrisch geformte Negativvolumen innerhalb des massiven Mauerwerkes ist so ein markanter Gegensatz zum dichten Farbauftrag der Bilder, das dieser visuell als positives Volumen erscheint. Schade nur, dass die Hängung der Bilder so wenig auf die Gegebenheiten des Raumes Rücksicht nimmt. Hier gibt es für künftige Ausstellungen noch einiges Potential.