Gottliebens neuer Name
by Kristin Schmidt
Der «Hecht an der Grenze» ist ein Kunstprojekt für 10 Tage. Noch bis kommenden Sonntag sind in Gottlieben Werke und Performances von über 20 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen.
Gottlieben wird tschechisch. Schwarz auf weiss steht es an der Schiffanlegestelle des kleinen Grenzortes: Bohumilov. Die Geschichte dieses Namenswechsels reicht weit zurück: In der ehemaligen Wasserburg am Rhein wurde im 15. Jahrhundert der böhmische Reformator Jan Hus gefangen gehalten, bevor er auf dem Konstanzer Konzil zum Tod verurteilt und verbrannt wurde. Seine reformatorischen Ideen werden bis heute gewürdigt. Für zehn Tage nun wechselt Gottlieben, oder zumindest die Schiffsanlegestelle, den Namen und erinnert damit an Hus´ Wirken. Zugleich ist es ein Zeichen für die tschechische Abstammung von Martin Chramostra. Der junge Basler Künstler hat seinen Grossvater um die Namensübersetzung gebeten. Sie ist sein Beitrag zum «Hecht an der Grenze», einem zehntägigen Kunstprojekt von Cécile Hummel. Die Künstlerin gehört in vierter Generation zur Hotelierfamilie im Ort. Gemeinsam mit der Performancekünstlerin Andrea Saemann und der Kulturgeographin Dagmar Reichert hat sie mehr als zwanzig, zum Teil international bekannte Kunstschaffende eingeladen, für Hotel und Aussenraum eine Arbeit zu entwickeln. Herausgekommen ist eine vielseitige Ausstellung und ein dichtes Programm. Beides hat deutlich mehr Potential als nur für zehn Tage, doch jenen, die den «Hecht» jetzt besuchen, wird er zweifellos lang im Gedächtnis bleiben. Und vielleicht wirkt das Projekt auch im Hotel nach, denn das Haus hat etwas frischen Wind dringend nötig. Die Zimmer wurden Anfang der 1960er Jahre mit Antiquitäten eingerichtet und seither kaum verändert. Die Interventionen der Künstlerinnen und Künstler thematisieren aber nicht vordergründig diesen verblichenen Charme, sondern setzen sich mit grösseren Fragen auseinander. Immer wieder ist die Grenze ein Thema – mal zwischen den Zeiten, mal zwischen Ländern, mal in der Kommunikation oder im Zusammenleben. Jedes Zimmer des Hotels ist für ein Kunstwerk reserviert. Das Spektrum reicht von Liveperformances über Filme und Fotografien bis hin zu Installationen mit Tieren, Ton oder Tönen. Bis hinein ins Restaurant breitet sich die Kunst aus. Andrea Zaumseil aus Berlin hat neue Tischsets gestaltet und Markus Müller Tafelaufsätze im Geiste des Barock, aber in neuer Form. Als Konversationsstücke beeinflussen sie die Tischgespräche merklich. Aber lange sitzen bleiben wird derzeit ohnehin niemand, denn selbst, wenn alle Zimmer besichtigt sind, ist noch viel zu sehen. So lohnt sich ein Abstecher ins benachbarte Bodman-Haus zur eigens eingerichteten, assoziationsreichen Ausstellung über das Ehepaar Bodman, eine Wanderung mit Wildtierarchitekt Christian Ratti, ein Spaziergang mit Angela Hausheer und Leo Bachmann ins Gottlieber Ried oder der Besuch der Gottlieber Revue mit Muda Mathis, Chris Regn und Freundinnen. Und damit niemand den Überblick verliert, gibt es sogar ein eigenes «Tagblatt»: Das soeben für das schönste Buch der Welt ausgezeichnete Büro Bonbon aus Zürich hat eine mobile Redaktion im Hotelfoyer eingerichtet – eine Zeitung nur für die Kunst.