Aufgepumpt? Abgepumpt? Im Hochdruck durch den Wasserturm

by Kristin Schmidt

Nur für Unerschrockene: Christoph Büchels Installation „Pumpwerk Heimat“ im Wasserturm der Lokremise St.Gallen ist nach elf Jahren wieder zugänglich.

Schon mal in einem Opel Manta gesessen? Zum Fussraum wieder herausgestiegen? Oder eine Kletterstange hinab direkt aufs WC gerutscht? In einer Gefrierkammer die erfrorenen Zierfische gezählt? Christoph Büchel machts möglich. Der Schweizer Künstler installierte 2002 im Wasserturm neben der Lokremise sein Werk “The House of Friction (Pumpwerk Heimat)”. 11 Jahre war es nicht zugänglich, nur die Tauben und andere Eindringlinge hatten sich dort eingenistet. Jetzt kann die frisch restaurierte Arbeit endlich wieder begangen werden. Wobei “frisch restauriert” falsche Assoziationen weckt. Denn intakt sind die Welten nicht, auf die sich die Büchel in seinen Installationen bezieht. Der inzwischen international bekannte Künstler setzt dort an, wo es hakt, schafft unbequeme Situationen – für die Ausstellungsmacher, fürs Publikum, für die Presse. Er verwandelte die Wiener Secession in einen Swingerclub, verschenkte ein Ausstellungsbudget an Findige, versteigerte seine Manifesta-Teilnahme bei Ebay, initiierte Abstimmungskampagnen gegen zeitgenössische Kunst.

Die Installation im Wasserturm ist da vergleichsweise harmlos, und doch: Sie ist deutlich mehr als ein amüsanter, abenteuerlicher Parcours durch verschiedene Szenerien. Über sämtliche Etagen hinweg sorgt sie mal für Beklemmung, mal für Befremden und immer für Irritationen. Das Chalet etwa im Wasserreservoir ist das Gegenteil des heimeligen Ferienidylls mit Ausblick, es ist ringsum umgeben von der übermannshohen Mauer, die weltweit viele Verwandte hat. Dies lässt sich auch vom Hüttenausstieg sagen: Einem Fluchttunnel gleicht die Röhre, die direkt in eine Kühlkammer führt – eine anspielungsreiche Fortsetzung der räumlichen Erzählung.

Die eingefrorene Behausung ist wiederum nur wenig ungemütlicher als das Wohnzimmer im ersten Stock. Dort verbreitet eine in die Jahre gekommene Stubeneinrichtung Tristesse. Ist die Wohnung eines verwahrlosten Menschen gemeint? Oder entdecken wir uns nicht auch selber in vielen Details? Immerhin sind die Materialien, mit denen Büchel arbeitet, nicht von so weit hergeholt, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne, sondern Fundstücke zahlreicher Touren durch die Brockenhäuser der Stadt.

Es passt also bestens, die Arbeit anlässlich der Ausstellung „Home! Sweet Home! Vom (un)heimeligen Zuhause in der Kunst“ im Kunstmuseum St.Gallen wiederzueröffnen. Während jene aber nur bis Oktober läuft, kann im Wasserturm in St.Gallen nun zum ersten und bisher einzigen Mal eine Installation Büchels dauerhaft besichtigt werden.