Kunstkammer statt Abstellraum
by Kristin Schmidt
Der „Schopf“ unter der Ledibühne ist ein sich ständig verändernder Ausstellungsraum. Er wird an jedem Standort neu von lokalen und regionalen Kunstschaffenden und ihren Gästen bespielt.
Der Lediwagen ist umgekippt. Alles ist herausgefallen: Der Gummistiefel, das Dreirad, das Bügeleisen, Besteck, ein Gartenstuhl, ein Rasenmäher, eine Wohnzimmerpflanze, Fernsehapparate und vieles mehr. Was brauchen Menschen wirklich? Was schleppen sie unnützerweise mit sich herum? Wohin damit? Fragen, die sich viele schon einmal gestellt haben werden. Nun wurden sie auf anschauliche Weise in die erste Kunstinstallation unter der Ledibühne in Herisau übersetzt. Nützliches trifft sich hier mit Kuriosem, Antiquiertes mit Neuzeitlichem und alles kommt in künstlicher Holzmaserung daher.
Die Mischung macht’s. So lebt die Installation „Wad häsch da häsch“ vom Nebeneinander der vielgestaltigen Objekte, von Gegenstand, Film und Ton. Ein Nebeneinander, das miteinander erfunden wurde, denn die Kunstinstallationen für die Ledi beruhen auf Bandenbildungen. Für jeden der sechs Ledistandorte wurde eine Künstlerin oder ein Künstler eingeladen, sich mit anderen zusammenzutun, sich zu vernetzen und eine gemeinsame Arbeit zu entwickeln. Die Zürcher Künstlerin Ursula Palla hat sich für Herisau mit Gabriela Brühwiler, Pascal Lampert und Stefan Rohner zusammengetan. Dann fanden die Künstlerinnen und Künstler weitere Mitwirkende: beispielsweise Die Herianos, Komponist und Poet Steff Signer aus Herisau, Schülerinnen und Schüler der Schule für Beruf und Weiterbildung in Herisau oder Martin Rüesch, Bauer in Urnäsch, der seinen Lediwagen auslieh. Alle Beteiligten diskutierten, organisierten, arbeiteten und schufen ein Resultat, dass im Alleingang nicht möglich gewesen wäre. Wichtig dabei: Die Zusammenarbeit funktionierte gleichberechtig oder wie es Stefan Rohner formuliert: „Es hat gut ‚giget‘ zwischen uns.“
Genauso war es geplant: Die sechs ausgewählten Kunstschaffenden denken und agieren über den Kunstkontext hinaus, beziehen Menschen aus dem eigenen Umfeld ein, aus der Region oder auch von weiter her. Sie bespielen den Schopf nicht selbst, sondern „bauen das Haus für Andere.“ Diesen Vergleich zu den Para-Pavillons an der Biennale in Venedig zieht Eduard Hartmann, einer der Projektleiter neben Ursula Badrutt, Theres Inauen und Agathe Nisple. Wie an der Biennale sollen sich im Appenzeller Land die Künstler selbst einbringen in der Auswahl der Mitwirkenden und der Gestaltung des Ausstellungsortes, zugleich ist aber Offenheit nötig für die Ideen und Konzepte der Anderen. So konzipiert Stefan Inauen sein Projekt für die Ledi in Appenzell als begehbare Raumskulptur. Sie soll das Lebensgefühl in früheren Zeiten vergegenwärtigen. Pascal Häusermann wiederum baut für die Urnäscher Station der Ledi die Raumsituation der grosselterlichen Wohnung nach und kreuzt Gegenstände aus dem Appenzeller Land mit Objekten von aussen. Zusammenarbeiten wird der in Zürich lebende Künstler mit Kunsthandwerkern und Künstlern, so mit dem in Herisau geborenen, inzwischen international agierenden Künstler Costa Vece, dem Schellenschmied Peter Preisig oder dem Schnitzer Hans Neff. In Gais richten Katrin Keller und Simon Kindle einen Setzkasten ein, in dem die Menschen aus Gais und Bühler ihre Liebhaberobjekte präsentieren können, dazu sind Gespräche und ein täglicher Stammtisch geplant. Emmanuel Gaiser präsentiert in Teufen eine Weltausstellung in einem vergessenen Museum. Hier werden Hans Schweizer und Thomas Stüssi mitarbeiten und Kunstwerke, Kulturgüter, aber auch zukunftsweisende Erfindungen in einer eigentümlichen Versuchsanordnung verzahnen. In Oberegg schliesslich ist Palatti zu Gast: Die international besetzte Künstlergruppe ist ins Appenzeller Land ausgeschwärmt und vereint ihre Entdeckungen aus der Aussen- und Innensicht in einem lebendigen Archivraum.
Ob Archiv, Setzkasten, Kabinett oder Museum – diese Räume dienen dazu, ein grosses Spektrum mal wundersamer, exotischer, mal alltäglicher, vertrauter Dinge zu zeigen. Auf ganz individuelle Weise interpretieren die Kunstschaffenden und Mitwirkenden das gemeinsame Motto vom Schopf als Kunst- und Wunderkammer.