Museum im Lagerhaus, St. Gallen: Naive Schweiz Suisse Brut
by Kristin Schmidt
Sie arbeiten unberührt von ästhetischen Debatten und jenseits etablierter Kunstformen. Sie leben am Rande der Gesellschaft und behandeln doch zentrale Fragen des Daseins. Sie entziehen sich sogar jenen Kategorisierungen, die eigens für ihre Werke entwickelt wurden: Die Begriffe «Art brut», «Aussenseiterkunst» oder «Naive Kunst» schubladisieren das Werk von Künstlerinnen und Künstlern, deren Werk ausserhalb gängiger Systeme entsteht. Zudem scheint es, als ob gerade die Einordnungs- oder vielmehr Abgrenzungsversuche die adäquate theoretische Aufarbeitung verhindern. Der von Jean Tinguely bewunderte Heinrich Anton Müller beispielsweise ist in Gesamtdarstellungen der kinetischen Kunst bis heute nicht verzeichnet, obwohl seine Maschinen in der Pionierzeit der Kinetik entstanden. In diesem Dilemma setzen spezialisierte Institutionen wichtige Zeichen: Das St. Galler Museum im Lagerhaus feiert gemeinsam mit der Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut sein 25jähriges Bestehen mit einer breit angelegten Ausstellung. Klassiker wie Hans Krüsi, Adolf Wölfli oder der auch der Neuen Sachlichkeit zugerechnete Adolf Dietrich stehen neben weitgehend Unbekannten wie dem Bauernmaler Jakob Schweizer-Bösch oder der aus Kamerun stammenden Zeichnerin Pauline Ingold. Die heterogenen Positionen eint der unbedingte Wille zum Ausdruck und dessen kompromisslose Umsetzung.