Nina Emge – Gedankengefässe aus Stahl und Luft
by Kristin Schmidt
Winterthur — Früher waren die oxyd – Kunsträume ein Lager. Korn, Salz und andere Waren wurden hier aufbewahrt. Das passt perfekt für Nina Emge. Die Zürcher Künstlerin interessiert sich für das Speichern und das Erinnern als kulturelle Praktiken. Das eine ist für gewöhnlich an Orte oder Medien gebunden, das andere kann vollständig immateriell stattfinden. Bei Nina Emge kommt beides zusammen. Die Künstlerin kreiert Gefässe für Gedanken, Behältnisse für Erinnerungen sowie Bilder für das, was Sprache kaum fassen kann. Sie hat Stahlbänder in endlosen Schlaufen verschraubt und mit Metallstangen an den pfeilerartigen Stützen des oxyd montiert. Einige der amöbenhaften Formen schweben in der Luft, andere setzen auf dem Boden auf, so als wollten sie kurz verweilen und dann wieder abheben. In ihrer fragilen Präsenz behaupten sie sich mühelos gegenüber den Leitungen, Schienen, Kabeln, Rohren und Belüftungsschächten des Zweckgebäudes. Sie lassen sich als ungegenständliche Zeichnungen lesen, zugleich weist Emge die umschriebenen Leerflächen als Reservoir unermesslich vieler Gedanken aus: ‹Hier hängt, was künftig auf uns zukommt› heisst eine schwebende Form, ‹Dort hängt, was wir schon alles vergessen haben›, verkündet eine andere. Als Depot für alles, was lieber verdrängt wird, bietet sich eine dritte an: ‹Da hängt alles was meinem Herzen zu schwer ist›.
Während die Stahlbänder dynamisch geformt, durchlässig und offen sind, ist ‹Container II (Hans-Jörgs Harfentransportbox›, 2025 ein kleines Monument. Der Harfenkoffer gehörte Emges Grosseltern. Das Instrument jedoch ist abwesend, der Kasten selbst ist der Resonanzkörper. Er beherbergt noch immer Schutzpolster, zwei Etiketten und eine kleine Tasche. Neu hinzugekommen ist ein dichtes Gewebe aus Zeichnungen: kryptische Notizen, kleine Szenen mit Fabelwesen, Ornamente, Symbole. Damit ist der Koffer nicht länger nur dienender Behälter, er ist erinnernder Akteur geworden.
Ein drittes Element der Ausstellung ist die Bildserie ‹Guck, was die Zeit aus uns macht›: Mit Malven, Schwarztee und Baumnussschalen eingefärbte Textilien öffnen weite Bildräume. Überhängende Stoffteile, Falten und kleine aufgestickte Perlen sprengen den traditionellen Bildrahmen. Die Serie berührt zwei andere grosse Interessenfelder der Künstlerin: geteilte, dezentrale Arbeitsmethoden und deren Dauer. Emge beizt und färbt für die Serie unbehandelte Baumwolle, zerteilt sie und näht sie neu zusammen, um sie anschliessend aufzuspannen. Dieser aufwendige Prozess ist genauso ein Kommentar zu Zeitlichkeit wie das Färbematerial selbst, dessen langandauernde Wirkung schon für den Schriftsteller Peter Kurzeck ein taugliches Sinnbild war, denn die braunen Flecken der Baumnussschalen sind «mit nichts von den Händen abzubekommen, ausser mit der Ze
Nina Emge: Beginnings Without Ends or Still There Are Seeds to be Gathered
oxyd – Kunsträume, Winterthur, bis 19.10.
www.oxydart.ch