Woran würde das Bauhaus heute arbeiten?

by Kristin Schmidt

Was war das Bauhaus? Was wäre es heute? Eine Designerakademie? Eine Architektenschmiede? Ein gesellschaftlicher Aufbruch? Die Ausstellung „Ideal Standard“ im Zeppelinmuseum erweckt die Visionen des Bauhaus zu neuem Leben.

Seit der Gründung des Staatlichen Bauhauses sind fast 100 Jahre vergangen und noch immer ist die Resonanz des architektonischen und künstlerischen Aufbruchs fast überall auf der Welt zu spüren. In dieser Wahrnehmung dominieren die gestalterischen Ideen des Bauhauses, vom Flachdach bis zum Stahlrohrstuhl. Der Antrieb dahinter, die Motivation der Bauhausmeister und ihrer Schülerinnen und Schüler für ihre Entwürfe, Möbel und Bauten ist längst in den Hintergrund gerutscht. Hier setzt die aktuelle Ausstellung im Zeppelinmuseum an. Aber nicht, in dem sie den Blick in die Vergangenheit richtet, sondern sich vorzustellen versucht, wie das Bauhaus heute agierte.

Würden sich die Bauhausprotagonisten heute auf formale Aspekte konzentrieren? Oder würden sie sich mit Migration, Nanotechnologie und künstlicher Intelligenz beschäftigen? Würden sie inhaltliche Antworten suchen auf die drängenden Probleme der Zeit oder die Welt einfach ein bisschen schöner machen? Vielleicht schliesst sich beides gar nicht aus. So wie bei Andrea Zittel. Seit den 1990er Jahren entwirft die Künstlerin kleine, auf die lebensnotwendige Ausstattung reduzierte Wohnboxen. In der kalifornischen Mojave-Wüste lädt sie Kunstschaffende ein, die Einzelschlafzellen temporär zu bewohnen. In Friedrichshafen wird ein frühes Exemplar der Zellen einerseits aufgrund seiner formalen Referenzen ans Bauhaus gezeigt und andererseits als Antwort auf neue, mobile und platzsparende Lebensentwürfe.

Zeitgemässe, durchdachte Wohnentwürfe bestimmten viele Bereiche des Bauhauses und sind auch auch 100 Jahre später noch gefragt, ist doch das Wohnen selbst im ständigen Wandel. Christopher Kulendran Thomas entwickelt mit „New Eelam“ eine Wohnutopie angelehnt an den 2009 militärisch aufgelösten Separatistenstaat Tamil Eelam. Statt individuellem Besitz wird kollektiver Zugang proklamiert, statt orts- oder staatengebundenem Wohnen höchste Flexibilität: Wohnen ist post-kapitalistisch und post-nationalistisch. Möbliert ist die Videokoje des britischen Künstlers mit Stahlrohrsesseln, die den Bogen zurück zum Bauhaus schlagen.

Auch Katarina Burin und Erika Hock beziehen sich direkt auf das Bauhaus. Burin konstruiert die fiktive Identität einer Bauhausarchitektin, inklusive Architekturmodellen, Fotos und Möbelobjekten und thematisiert Urheberfragen ebenso wie die Position der Frauen in der Bauhauswelt. Erika Hock bezieht sich auf Ludwig Mies van der Rohes und Lilly Reichs legendäres Café Samt und Seide. Sie gliedert den Ausstellungsraum mit farbigen Fadenvorhängen und schafft damit Leseoasen.

Das Künstlerduo Pakui Hardware fordert auf, die Baushausansätze in die Zukunft weiterzudenken in Richtung Robotik oder synthetische Biologie. Ihre biomorphen Objekte sind zwischen Apparat und Skulptur angesiedelt und unterlaufen die Trennungen zwischen „natürlich““ und „künstlich“.

Die fünf künstlerischen Positionen werden nicht als neue Bauhausschule präsentiert, sondern als formale und inhaltliche Spekulationen im Geiste der damaligen Bildungsstätte. Damit geht das Zeppelinmuseum auch zu den eigenen Wurzeln zurück, befindet es sich doch in einem mustergültigen Bau im Stile der Neuen Sachlichkeit. Auch die Zeppeline selber taugen als Anknüpfungspunkt: Noch die LZ 127 versuchte mit Polstern und Rüschen bürgerliche Wohnlichkeit zu verbreiten. Aber bald wurde der Widerspruch zwischen Brokat und Blümchen auf der einen Seite und Innovation und Technik auf der anderen Seite erkannt: Die berühmte LZ 129 wurde mit Stahlrohrsesseln ausgestattet, mit leichten und stabilen Möbeln aus Aluminium, hier war die Moderne dann auch in der Luft angekommen.