Drei Fotografen – drei Fragen

by Kristin Schmidt

Mit welcher Haltung fotografierst Du?
Welche Bedeutung hat die digitale und die analoge Technik auf Deine Fotografie?
Welchen Einfluss hat es auf Deine Arbeit, dass heute so viele Leute fotografieren und ihre Bilder in den sozialen Medien verbreiten?

Daniel Ammann, Fotograf, Herisau: „Wenn zehn Personen den gleichen Baum fotografieren, entstehen zehn unterschiedliche Bilder. Jede Sicht ist individuell, jeder hat einen eigenen Rucksack aus Erfahrungen. Bilder, welche Du gemacht hast haben Einfluss auf die, welche du machen wirst. So ist das Leben.

Ich bin jemand, der gerne alles von allen Seiten betrachtet. Es gibt einen Punkt, an dem das unmittelbare Bild nicht besser werden kann. Krampfhafter Perfektionismus hilft dann nicht weiter, wichtiger ist es, die guten Bilder zu erkennen, sie stehen und gut sein zu lassen.

Seit es die digitale Technik gibt, habe ich keine Chemie mehr in der Hand, verbringe keine Zeit im Labor, kaufe keine Filme ein, die entwickelt und gescannt werden, sondern kann den ganzen Tag fotografieren und kreative Prozesse unmittelbar gestalten. Ich kann beispielsweise Nahaufnahmen deines Gesichtes produzieren, dieses riesengross ausdrucken und an die Wand pinnen und dich vor diesem Bild porträtieren – alles am selben Tag. Früher war das nur innerhalb grosser Zeitspannen möglich.

Ich bin für die analoge Erfahrung dankbar und habe während 15 Jahren zehn Laufmeter Bundesordner an Negativen und diaposivem Zelluloid produziert. Heute vermisse ich die analoge Fotografie nicht. Meine jüngere Tochter drängt mich jedoch das Schwarzweisslabor in Betrieb zu nehmen. Es gibt Hoffnung auf Entschleunigung.

Technisch fange ich dort an zu fotografieren, wo Amateure aufhören. Mir gefällt es, dass viel mehr Menschen Bilder machen.“

Sven Bösiger, Künstler, Gais:

„Meine Arbeit funktioniert wie ein afrikanisches Transportwesen: Ich bleibe offen für Ahnungen, wechselnde Prioritäten und Zufälle. Diese drei Elemente bilden den Boden meiner Arbeit und erlauben mir mit der Zeit eine Fokussierung. Wichtig ist ausserdem, was mich musikalisch beschäftigt. Nach einer Weile verbinden sich Musik und Bilder, alles in meiner Arbeit hängt zusammen.

Rasch habe ich zur digitalen Technik gewechselt. Anfangs war ich skeptisch, aber inzwischen bearbeite ich die Fotografien meist sehr. Die Technik vereinfacht Vieles und ich muss nicht alle digitalen Werkzeuge nutzen, sondern kann mir aussuchen, was ich brauche. So verweigere mich dem gestochen Scharfen, diese technische Überschärfe ist für mich ein unwichtiges Stilmittel. Aber mit Farbmanagmenttools kann ich Licht, Kontraste und Farben bearbeiten und so die Begebenheit oder Aussage einer Landschaft zu einem bestimmten Punkt quälen. Früher habe ich frei und digital an Footage-Medienfotos herumgedoktert, extrem seziert und vergrössert. Eigene Fotografien zu untergraben und anders zu sehen brauchte allerdings seine Zeit.

Wie viele andere Menschen fotografieren und wo sie ihre Bilder verbreiten, hat einen geringen Einfluss auf mich. Ich bin widerspenstig gegen die sozialen Medien. Ich verfolge zwar, was es gibt und verfange mich mitunter im Spinnennetz der Fülle, wenn ich etwas recherchiere, aber ich kann dieser riesigen Walze auch gut ausweichen.“

Stefan Rohner, Multi-Media-Künstler, St.Gallen: „Ich bin mit Fotografie und Film aufgewachsen und lote diese Medien in allen möglichen Facetten aus von der Raum-Installation bis zur übermalten Fotografie. Meine multimedialen Arbeiten erinnern mehr an die Realität, als diese wahrheitsgetreu abzulichten.

Vor vielleicht 25 bis 35 Jahren hatte ich immer eine analoge Fotokamera auf Reisen dabei und oft auch im Alltag. Damit habe ich skurrile Situationen festgehalten. Heute interessieren mich besonders die Kulturen der Menschen und die Natur.

Ich stand über 20 Jahre in der Dunkelkammer und hatte irgendwann genug. Heute habe ich – wie die meisten – das Smartphone dabei; verwende es aber eher zurück haltend, eher um zu skizzieren. Ab und zu fotografiere ich noch analog mit einer doppeläugigen Rollei im Format 6x6cm. Dabei nehme ich bewusst Fehlbelichtungen etc. in Kauf. Ausserdem stelle ich oft Cyanotypien her und verwende historische Fotografien in meinen Arbeiten.

Ich habe 18 Jahre lang Fotografie unterrichtet an der Schule für Gestaltung in St. Gallen. Ich habe festgestellt, wie viel Freude die Studenten an analogen Verfahren hatten. Nur einmal hatte ein Schüler keine Lust zum Fotografieren; er sagte, er wolle die Bilderflut nicht noch vergrössern. Ich hatte eigentlich Verständnis für ihn und liess ihn dann einfach ein einziges Bild machen. Die Bilderflut hat mich schon anfangs der neunziger Jahre beschäftigt, aber dass sie so enorm wird, konnte ich mir damals nicht vorstellen. Grundsätzlich denke ich, die Menschen wollen einfach kommunizieren und tun dies immer mehr mit Bildern. Historisch gesehen waren die Bilder ja vor der Schrift da.“

Obacht, No. 32 | 2018/3