Eine Kunsthalle für einen Sommer

by Kristin Schmidt

Die Wanderbühne ist Vergangenheit. Was bleibt, sind Kunsterlebnisse, Kontakte und die Erinnerung an ein gemeinsam gefeiertes Jubiläum. Eine Rückschau.

Mit jedem Standort wurde die Ledi ein bisschen kleiner und jedes Mal etwas grösser. Kleiner wurde die Wanderbühne, da ihre Stützen an das jeweilige Gelände angepasst und gekürzt werden mussten. Grösser wurde sie als immaterieller Raum. In ihr und mit ihr wuchsen die Erfahrungen, Kontakte wurden geknüpft, lange Gespräche geführt. An jedem Ort wurden Kultur und Kunst anders und neu erlebt. Der Schopf im Untergeschoss war als Kunst- und Wunderkammer konzipiert und wurde an jeder Station völlig unterschiedlich interpretiert. Das galt nicht nur für die ausgestellten Objekte, sondern für die ganze Konstruktion. Mal war der Schopf nach allen Seiten hin offen, mal war er labyrinthisch verzweigt, mal hermetisch geschlossen.

In Herisau kam er ganz ohne Wände aus. Mittelpunkt war ein umgekippter Lediwagen und so allerhand Herausgefallenes. In Appenzell schickte Stefan Inauen die Ledigäste auf eine Reise in die Vergangenheit. Pascal Häusermann entwarf für Urnäsch eine Wohnzimmersituation. Katrin Keller und Simon Kindle bauten einen Setzkasten für Gais. In Teufen war die Ledi so platziert, dass das Zeughaus zum Hinterzimmer der von Emmanuel Geiser konzipierten Kunstausstellung wurde. Den Abschluss machte die Gruppe Palatti in Oberegg mit ihrem offenen Archiv.

Beinahe nebenbei wurden durch die Kunstschaffenden Gattungen und Genres überschritten. So bei Pascal Häusermann. Das Neben- und Miteinander von Handwerk und Kunst wurde in Urnäsch weder explizit thematisiert, noch ideologisiert, sondern einfach und gut dargestellt. Auch das Publikum mischte sich: Mirya Gerardu von Palatti ortete bei Führungen und bei der Abschlussgant sowohl Bauern und als auch Kuratoren.

Alle Kunstschaffenden stiessen ganz eigene Forschungsprojekte an und liessen das Publikum daran teilhaben. Besonders gut funktionierte dies für Agathe Nisple dort, wo sich die Ledi architektonisch sehr offen präsentierte und sich der Besuch des Schopfes beinahe beiläufig ergab: „In dem offenen System gehörte die Kunst ganz selbstverständlich dazu.“ Da kam es auch gar nicht so sehr darauf an, ob die Kunst als solche erkennbar war. Im Gegenteil. Der offene Kunstbegriff ermöglichte ganz ungeahnte Entdeckungen. Etwa beim Palattiteam: Es präsentiert die Ergebnisse individueller Forschungen über Steinformationen und Hühnerzucht, Mörschlen und Viehschauen: Das Schopfpublikum studierte sie lange und aufmerksam.

Kunst kann eben viel mehr sein als greifbares Objekt. So luden Rolf Graf und Costa Vece ein, auf der Ledi selbst entworfene Menschenpyramiden zu zeigen. Zwar nahmen nicht allzu viele teil, aber die Skulpturen existierten ohnehin nur für einen Moment und solange funktionierten sie ausgezeichnet. Sieger wurde übrigens das menschgewordene Drehrestaurant auf dem Hohen Kasten.

Von Karin Bühlers Projekt für die Ledi wird zwar durch eine eigens gestaltete Edition etwas Dauerhaftes bleiben, doch auch der Trogener Künstlerin waren ganz andere Dinge wichtig. Sie hatte sechs ausgewählte Personen Mutmassungen über einen gefundenen Stein anstellen lassen. Damit legte sie einerseits Recherchemethoden offen und machte andererseits den Arbeitsprozess als solches bewusst. Der Stein selbst wird am kommenden Sonntagnachmittag feierlich zur Hohen Buche zurückgeführt –musikalisch begleitet durch Trompeter Michael Neff.

Auch bei anderen geht es nach der Ledi noch weiter: Die Herisauer Gruppe um Stefan Rohner wird ihre Idee für die nächste Ausstellung des Zeughauses Teufen abwandeln. Und was noch alles kommt? Wer weiss. Was bleibt, ist die Erinnerung an die Ledi als die erste und einzige Kunsthalle beider Appenzell für einen Sommer lang.