Mehrdeutige Puppentheatralik

by Kristin Schmidt

Berenike Wasserthal-Zuccari zeigt unter dem Titel «Kopfstücke und Figurentheater» aktuelle Arbeiten in der Galerie Werkart. Es ist die erste Ausstellung der Grazerin in der Schweiz.

Comic und Kunst, Kunst und Comic – die Faszination wirkt beiderseits. Spätestens seit Andy Warhol und Roy Liechtenstein haben Comics einen festen Platz in der Malerei. Waren es bei den Pop- Art-Künstlern noch die Merkmale der Massenproduktion und damit die Vereinfachung des Sujets und seine allgemeine Verfügbarkeit, die einen Grossteil des Interesses ausmachten, so ist es bei Berenike Wasserthal-Zuccari das Gegenteil.

Das mag auch daran liegen, dass sich die Produktionsbedingungen der «Neunten Kunst» im Computerzeitalter weiter verändert haben: Die Österreicherin schwärmt beispielsweise für die handgezeichneten Originalstrips, die vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.

Überhaupt haben es ihr die früheren Zeiten deutlich angetan. Referenzen gibt es in ihren Gemälden viele, die augenscheinlichste: Sie sind bevölkert von Disney’schen Enten, der berühmten Maus oder dem tolpatschigen Goofy. Sie alle wuseln um weibliche Schönheiten herum, die ebenfalls frühere Verwandte haben. In ihrer Perfektion erinnern sie an die Pin-up-Mädchen der 50er- und 60er-Jahre, die kleine erotische Geschichten erzählten und doch selten vordergründig anzüglich wirkten.

Auch Berenike Wasserthal-Zuccari setzt mehrdeutige Andeutungen in Bilder um. Sie zeigt Episoden aus dem Leben eines lüsternen Gartenzwerges oder «Pinocchios amouröse Abenteuer». Aber dies alles ist nur ein Aspekt ihrer vielschichtigen Arbeit. Die gewichtigeren Punkte sind malerische wie inhaltliche Untersuchungen. Ihre Malweise, geschult an altmeisterlichen Techniken und übertragen in Acryl, ist äusserst sorgsam und überlegend.

Ein Thema beispielsweise sind die Oberflächen: der Glanz der roten Schuhe im Gegensatz zu einer tönernen Zipfelmütze, die Weichheit oder Elastizität textilen Materials, die bestossenen Kanten alten Holzspielzeuges. Allein durch den Farbton gelingen Wasserthal-Zuccari die Charakterisierungen. Die Farbe als solche ist lasierend in hauchzarten Farbschichten aufgetragen, so dass die Leinwandstruktur sichtbar bleibt und Lichterreflexe unzählige Glanzpunkte setzen.

In grossformatigen Porträts widmet sich die Künstlerin fein unterschiedenen mimischen Ausdrücken. So ist die Dargestellte im Triptychon «Puppentheater» im Moment des Innehaltens zu sehen, sie beobachtet, lauscht, versucht zu verstehen. Der Betrachter ebenfalls: Historische Puppen mit zerlöchertem Haupt oder abgebrochenem Arm, einzelne Puppengliedmassen und ein Kopf mit leeren Augen fallen aus dem Nichts ins Bild herein und wieder hinaus. Sind es Putten? Sind es die bethlehemitischen Kinder? Sind es Embryos? Wie Wesen aus einer anderen Zeit, ja einer anderen Welt wirken sie in der Gegenüberstellung mit den Erwachsenen.

Dreimal dasselbe Format, dreimal dasselbe Grundmotiv in Variationen – ein weisser, breiter Streifen am linken Bildrand unterstreicht den Charakter der Momentaufnahme und verweist auf filmische oder Comic-Strip-Sequenzen. Zugleich bildet er einen starken Kontrast zum dunklen Bildhintergrund.

Berenike Wasserthal-Zuccari schöpft hier aus ihren Erfahrungen als professionelle Bühnenbildnerin. Dieses Schwarz bringt alle anderen Farben zum Leuchten. Gleichzeitig schafft es einen schier unendlichen Tiefenraum, eine universale Weltbühne für die Dargestellten. Überhaupt prägt ihr Faible fürs Theater die Werke der Grazerin, sichtbar in der Inszenierung, dem ge- oder gar übersteigerten Ausdruck, der Fernwirkung von Farbe und Sujet, den Licht- und Schattenspielen oder den sorgfältig ausgesuchten Requisiten. Der Bildraum wird zur Bühne für phantastisch-manieristische Bildwelten.