Von Bäumen und Schönheit

by Kristin Schmidt

Das St. Galler Künstlerduo Com & Com stellt auf Einladung der Stadt im Architekturforum im Lagerhaus aus. Unter dem Titel „Holzweg“ werden Arbeiten der letzten drei Jahre gezeigt.

Der Hauptdarsteller ist abwesend. Verreist ins Ausland, dienstlich. Dennoch ist er präsent, ist zu sehen und zu spüren. Seine Aura, die ihn wie alle grossen Persönlichkeiten umgibt, wirkt über seine physische Gestalt hinaus. Sie durchströmt die gesamte Ausstellung im Architekturforum.

Das Bloch 23781 ist ein stattlicher 5 Meter hoher Fichtenstamm. Das St. Galler Künstlerduo Com & Com hat bei der jährlichen Blochversteigerung in Urnäsch den Zuschlag bekommen mit dem höchsten Gebot in der Geschichte dieses Fastnachtsbrauches. Statt nun vor Ort zu Möbeln oder Schindeln weiterverarbeitet zu werden, reiste das Bloch zunächst einmal in die Kunstgiesserei, um dort seinen Stammabdruck zu hinterlassen (siehe Tagblatt 6. März 2012), dann weiter nach Bern, nach Berlin – bis es in zwei Jahren auf allen Kontinenten gewesen sein wird. In der Ausstellung ist das Bloch daher nicht selbst zu sehen, aber dafür hat es Spuren hinterlassen und wird von Verwandten vertreten.

Com & Com befinden sich seit längerem auf dem „Holzweg“. Allerdings nicht in metaphorischer, sondern in wörtlicher Bedeutung. Schon in ihrer Retrospektive im Centre Pasquart in Biel 2010 räumten sie einem Baum einen besonderen Platz ein. Sie gruben einen Apfelbaum aus und legten ihn frei, so dass sich Wurzelwerk und Krone zu spiegeln scheinen. Nach der Präsentation im Museum wurde er in einer Performance filetiert. Die Stücke wurden nummeriert und verschenkt. Ein Video und Fotografien dokumentieren das Werk. Einmal mehr zeigen sich hier die Kernelemente des Schaffens von Johannes M. Hedinger und Marcus Gossolt. So ist das Werk ein Abbild eines Prozesses aus vielen Arbeitsschritten. Wichtig sind ausserdem seine sozialen und kulturellen Aspekte: Indem die abgesägten Äste verschenkt wurden, haben sie sich weiterverzweigt hinaus in das Leben, in die Welt. Ganz ähnlich wie das Bloch sind sie auf die Reise gegangen. Und nicht zuletzt ist da der ästhetische Aspekt der Kunst. Ein Kunstwerk darf auch einfach schön sein, schön wie ein schwebender Apfelbaum.

Com & Com verfassten 2008 ein „Post-Irony“ Manifest. Darin fordern Sie Mut zum Pathos, Mut zur Schönheit. Sie selbst machen vor, wie es geht. Sie verbinden die ästhetische mit der künstlerischen Absicht. Zunächst einmal loten sie aus, wo die kleinste Geste beginnt. Beispielsweise dort, wo im Wald der Unterschied zwischen herumliegenden Zweigen und bewusst platzierten sichtbar wird. Überhaupt haben es die kleinen Zweige dem Künstlerduo besonders angetan. Sie lassen sich zu Beinkühen schnitzen. Diese wiederum offenbaren in einer Zeichnungsserie ihre Ähnlichkeit mit Panzersperren, Lawinenverbauungen oder einer Kuh, die konsequenterweise keine Hinterbeine hat. Ausserdem lassen sich die Äste und Zweige transformieren zu filigranen, keramischen Objekten, den „Endern“, die dann wiederum zehnfach vergrössert in eine Holzskulptur übertragen werden.

Die Werke von Hedinger und Gossolt stehen miteinander in Beziehung und eröffnen immer neue Möglichkeiten. Von einem Inspirationspunkt aus entwickelt die Arbeit eine Dynamik, die mitunter die Künstler selbst zu erstaunen scheint. So auch beim Bloch. Er verwandelte sich bereits in eine Bühne, ein Podest, einen Tanzpartner und wurde für manch ein Mitglied der Urnäscher Blochgesellschaft der Anlass zur allerersten Auslandsreise. Und bei aller Konzeptualität spielt auch der Zufall eine Rolle. Wie der untere Querschnitt des Blochs aussehen würde, liess sich nicht vorhersehen, dass er nun so viel Ähnlichkeit mit dem Victory-Zeichen und der „Shaka“-Geste hat, hätten selbst Com & Com nicht besser planen können.