Dreimal Gaza

by Kristin Schmidt

Die zweite Ausstellung in der Reihe «Twogether» vereint Werke von Rayelle Niemann, Taysir Batniji und Raoof Haj Yehia. Das gemeinsame Thema ist die Situation der Menschen im Gaza-Streifen.

Ein endloser Gang, gebildet von übermannshohen Betonmauern, überdacht und zementiert: Hier ist kein Entweichen möglich, es geht nur geradeaus, heraus aus dem Blau hin zu Rot, zu Grün und schliesslich zu Grau. Was hat es mit diesem Gang auf sich, was mit diesen Farben? Rayelle Niemann hat die Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Israel fotografiert. Monumental mutet dieser Sicherheitsgang an, umso mehr, da er zur Kanalisation von Menschenmassen geplant ist, aber auf allen Bildern menschenleer ist. In der gähnenden Leere wird seine Funktion nur umso deutlicher: Er schüchtert ein, er befremdet, er schottet ab. Das grelle farbige Licht verwirrt die Sinne, doch am Schluss ist er nur noch grau: Wir sind im Gaza-Streifen.

Rayelle Niemann, Taysir Batniji und Raoof Haj Yehia nehmen den Betrachter im Projektraum exex mit auf die Reise. Sie lassen die Einreiseformalitäten spüren, lassen teilhaben am alltäglichen Leben mit seinen existenziellen Problemen und vergessen auch die Ausreise nicht. Doch erst einmal sind wir angekommen. In einer während eines dreimonatigen Arbeitsaufenthaltes entstandenen Fotoserie porträtierte Niemann die Grenzstadt Rafah und ihre Bewohner. Was zunächst wie eine Reihe von Schnappschüssen wirkt, ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit der Situation vor Ort. So sind etwa die kippenden Linien genauso wie die kleinen Details des alltäglichen Lebens sorgsam ins Bild gesetzt und fügen sich zu einfühlsamen Zeugnissen des Lebens im Gaza-Streifen.

Auch Taysir Batniji widmet sich diesem, seinem Leben. Der im Gaza-Streifen lebende Künstler hat mit seiner Bildserie «Fathers» die üblicherweise in Geschäften hängenden Porträts der verstorbenen Familienoberhäupter festgehalten.

Umgeben von Lebensmittelpaketen oder Handwerkerbedarf sind sie mal nur von einem einfachen Rahmen gefasst, mal neben Reklame westlicher Konsumgüter inszeniert. Indem Batniji den Blick auf die Glorifizierung der Abwesenden lenkt, thematisiert er einerseits die unangefochtene männliche Autorität wie andererseits auch die Sehnsucht nach Statussymbolen.

Niemann und Batniji bespielen den Projektraum exex im Rahmen von «Twogether». Was ursprünglich als dialogische Arbeit zweier Künstler gedacht war, erweiterte sich in der aktuellen Ausstellung zu einem Trio.

Der Dritte im Bunde ist Raoof Haj Yehia. Nahtlos fügt sich sein Werk an jenes der anderen beiden an: Eine Fotografie zeigt ein Stück Fladenbrot auf einer Landkarte liegend. Die Karte zeigt Israel, das Brot den Gaza-Streifen. Raoof Haj Yehia platziert es dort, wo es am nötigsten gebraucht wird. In anderen Fotografien steckt das Brot in einem Express-Umschlag, wird mit lieben Grüssen per Brief geschickt oder wie ein Medikament in sorgfältig dosierten Mengen abgegeben. Der in Ramallah lebende Künstler findet prägnante Bilder für eines der drängendsten Probleme seiner im Gaza-Streifen lebenden Landsleute: den nach den jüngsten politischen Ereignissen und den damit verbundenen internationalen Reaktionen eingetretenen Notstand an Nahrungsmitteln.

Die Zeit zur Abreise ist gekommen. Und noch einmal muss die Grenze passiert werden. Für Palästinenser bedeutet dies Warten. Taysir Batniji dokumentiert mit einer kleinen Kamera das Geschehen an der Grenze. Es zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass nichts geschieht. In trostlosen, von Neonlicht erhellten Räumen warten die Reisenden, warten und warten. Wir wissen, sie warten auch dann, wenn zwischendurch schwarze Bilder eingeblendet sind. Noch einmal wird auf eindringliche Weise das Leben in einem vom Leben abgeschnittenen Landstrich reflektiert.