Wer hat Angst vor Rot, Gelb, Blau?
by Kristin Schmidt
Jos van Merendonk konfrontiert den Betrachter mit der Farbe Grün und den unendlichen Möglichkeiten der Malerei. Auf quadratischen Formaten spielt der Künstler in der Galerie Christian Röllin ein breites Ausdrucksspektrum durch.
Am Anfang steht immer eine Zeichnung, und zwar immer die gleiche: Jos van Merendonk setzt mit dem Bleistift ein grosses Oval auf die quadratische Leinwand, fährt im Zickzack von rechts oben nach links unten und schliesst mit einem umgekippten Z. Dieses lineare Schema bildet bei allen Gemälden des Amsterdamers das Grundgerüst, selbst, wenn es durch die späteren Übermalungen verschwindet und nicht mehr als Ausgangspunkt des Bildes in Erscheinung tritt. Eine weitere Konstante im Werk van Merendonks ist jedoch sofort und immer sichtbar. Der holländische Künstler verwendet ausschliesslich die Farbe Grün. Und zwar nicht Grün in allen seinen möglichen Variationen, sondern immer dasselbe Chromoxydgrün.
Warum dieses Grün? Diese Frage steht angesichts der Ausstellung der Gemälde Merendonks in der Galerie Christian Roellin sofort im Raum, genauso wie die Erinnerung an Barnett Newmans Gemälde «Who’s afraid of red, yellow and blue?». Die Primärfarben scheinen so unentbehrlich für ein Bild, ihn ihnen steckt die Möglichkeit sämtlicher anderer Farben, steckt Symbolik und Variantenreichtum. Gerade die holländischen Künstler wie Mondrian, Rietfeld und andere De-Stijl-Kollegen kamen mehr oder weniger mit den drei Grundfarben aus. Aber es geht auch anders. Als sich Jos van Merendonk Ende der 1980er-Jahre entschied, nur noch mit diesem einen Grün zu malen, ging diese Entscheidung primär von der Materialität der Farbe aus. Chromoxydgrün zeigte sich neben einem bestimmten Rot aufgrund seiner Pigmentstruktur am besten geeignet für die Arbeit van Merendonks, aber Rot schied aus aufgrund seiner starken Symbolik.
Van Merendonk sucht die grösstmögliche Neutralität seiner Bilder. So erklärt sich auch die Verwendung des Quadrates. Während ein Querformat immer den Weg in Richtung Panorama einschlägt und das Hochformat stark besetzt ist durch Bilder im christlichen Kontext, bleibt das Quadrat neutral. Das bedeutet aber nicht, dass die ausgestellten Gemälde kein Oben und kein Unten hätten. Jos van Merendonks Bilder sind nicht beliebig. Ein jedes stellt eine eingehende Untersuchung des selbstgewählten malerischen Themas dar. Mal kommt dem Farbauftrag besondere Aufmerksamkeit zu, dann wieder ist es die Komposition des Bildes, dann wieder die Konstruktion des Bildraumes. Van Merendonk befreit sich vom Diktat der Farbe, um sich alle anderen Freiheiten offenzulassen.
Es gibt Bilder, die völlig mit Grün eingestrichen sind, danach ist eine Struktur eingeritzt. Andere bestehen aus einem exakt parallel gesetzten Streifensystem, wieder andere sind gesprayt. Mal werden breite Balken von Bildrand zu Bildrand gezogen, daraus ergeben sich Bildebenen, die eine starke räumliche Tiefe suggerieren, dann wieder sind die Balken kürzer, überlagern sich, und damit tritt die Dynamik des Bildes in den Vordergrund, akzentuiert durch Bleistiftstriche, die wie die Bewegungslinien der Comics wirken.
Und selbst das Grün zeigt noch Varianten. Monochrom ist nicht Monochrom. Während beispielsweise Yves Klein sein Ultramarinblau immer homogen und sehr dicht auftrug, um eine reine und dadurch unendlich tiefe Farbfläche zu erzeugen, wird das Grün bei Van Merendonk auch verdünnt oder extra pastos aufgetragen, wodurch sich unterschiedliche Schattierungen der Farbe ergeben.
Und das alles passiert nun «ohne Mühe», wie es der Ausstellungstitel verheisst? Keineswegs, Jos van Merendonk arbeitet konzentriert im Rahmen der selbstgewählten Parameter die Möglichkeiten durch. In intensiver Auseinandersetzung mit dem Medium erweitert und verändert er sein Repertoire, um doch ständig neue Bilder zu schaffen. Am Ende dessen steht etwas, das einfach aussieht, aber nichtsdestoweniger komplex und durchdacht ist.