Alles Glück der Erde
by Kristin Schmidt
«Traum Welt Pferd» ist keineswegs eine Ausstellung nur für Pferdenarren: Die aktuelle Schau im Museum im Lagerhaus ist dem Vierbeiner gewidmet. Ein breites Spektrum von Kunstwerken von der Jahrhundertwende bis heute wird abgedeckt.
Was wäre der Cowboy ohne Pferd, was die Hochzeitskutsche ohne Schimmel, was ein Fiaker ohne Ross? Pferde begleiten den Alltag des Menschen seit Urzeiten. Dabei kam ihnen stets eine Sonderstellung zu. Kaum einem anderen Haustier werden so viele positive Eigenschaften nachgesagt, kaum ein anderes dient so zu repräsentativen Zwecken, keines weckt grössere Emotionen.
Kein Wunder also, dass diese treuen Vierbeiner durch alle Epochen hindurch das Thema künstlerischer Auseinandersetzung waren. Früheste Höhlenmalereien, griechische und römische Skulpturen, barocke Herrschergemälde oder religiös motivierte Grafikfolgen widmeten sich immer auch dem Pferd in seinen unterschiedlichsten Rollen. Und obgleich die Bedeutung des Pferdes als Arbeitstier im vergangenen Jahrhundert stark abgenommen hat, hat es nichts von seiner Anziehungskraft verloren.
Davon zeugt die aktuelle Ausstellung im Museum im Lagerhaus unter dem Titel «Traum Welt Pferd». Sie versammelt ein denkbar breites Spektrum von Werken der Aussenseiterkunst aus der Zeit der Jahrhundertwende bis heute. Die Werkliste zählt stattliche 114 Positionen, und dabei sind ausgewählte Serien sogar zusammengefasst. Mehr als ein kurzer Galopp also – doch sehr schnell geht die Begeisterung der Künstler an ihrem Sujet auf den Betrachter über. Selbst wer kein ausgesprochener Pferdenarr ist, wird in ihren Sog gerissen. Das liegt zum einen an der Kraft und Spontaneität der oft vereinfachten Darstellungen, fernab akademischer Präzision. Da darf ein Pferd auch gern einmal fünf Beine haben – Hauptsache, es wirkt so lebendig, wie es der Künstler vor sich sah. Zum anderen liegt die Spannung in der Hängung der Ausstellung begründet. Da die Werke im Wesentlichen zu inhaltlich homogenen Gruppen zusammengefasst wurden, bieten sich durch formale Unterschiede innerhalb dieser Gruppen immer wieder Vergleiche an.
Besonders gelungen ist die Auswahl in den beiden linken Seitenräumen. Im vorderen wird eine Brücke geschlagen von den schemenhaften, archaisch wirkenden Tiergestalten Christine Sefoloshas über die mit Glassteinen geschmückten überirdischen Wesen Bertram Schochs, den Pferdehimmel Hans Krüsis bis zu Karl Uelligers Sonnenreiter. Das Pferd zeigt sich hier in unterschiedlichen Facetten als Abbild des göttlichen Prinzips. Im hinteren der beiden Räume sind dagegen Darstellungen des Pferdes als Arbeitstier in städtischem oder bäuerlichem Umfeld vereint. Selbst wenn es mitunter nur ein Bilddetail von vielen ist, behält es auch hier stets seine Würde und wird von den Künstlern mit liebevollem Blick betrachtet. Dieses innige und dennoch von Ehrfurcht geprägte Verhältnis der Maler zu ihrem Sujet zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Einen Höhepunkt findet es in Joseph Giavarinis «Pferdeträger», einer Umkehrung des Reiterprinzips. Vollständig wird die Präsentation jedoch erst durch eine Arbeit, die auch die dunkle Seite eines Pferdedaseins in Erinnerung ruft: Christine Sefolosha zeigt einen schwarzen Pferdeschädel mit aufgerissenem Maul und vermittelt so eine Ahnung vom Leid der gequälten Kreatur. Längst ist es zur Gewohnheit geworden, den kleinsten Raum für eine Ausstellung in der Ausstellung zu reservieren. Diesmal hat ihn die Goldacherin Pia Hug in ein opulent ausgestattetes Märchenzimmer verwandelt. Unterm Seidenbaldachin glitzert und funkelt es von den prunkvoll bestickten Wandteppichen und verführt zum Innehalten. Wer genauer schaut, findet sie auch hier: die Tiere, auf deren Rücken das Paradies vermutet wird.