Mia, meine Mia
by Kristin Schmidt
Die zwei gebürtigen Ostschweizer Jacqueline Jurt und Harald Pridgar zeigen in der Kunsthalle Fussballleidenschaft und meteorologisches Interesse. Ergänzt wird die Ausstellung mit einer hörenswerten Installation von Frédéric Post.
Alles Gute kommt von oben. Das Böse mitunter auch. Besonders in der Ostschweiz, einem Gewittergebiet mit erhöhter Hagelgefahr. Seit jeher versucht der Mensch, dem etwas entgegenzusetzen. Während früher der heilige Barnabas, Evangelist Markus oder Johannes der Täufer helfen sollten, sind Hagelabwehrraketen das heutige Mittel. So sandten Jacqueline Jurt und Harald Pridgar einen Flugkörper in den Kampf gegen das Unwetter aus. Ein entfernter Knall ertönte und dem eisigen Unheil war der Garaus gemacht. Die Stadt war gerettet und ganz besonders die Kunsthalle.
Dort nämlich sind jetzt die Überbleibsel der Rettungsaktion zu sehen: eine Fotografie, ein Video und die gesamte Raketenstation inklusive Leiter und Autoanhänger. Es sind nüchterne Zeugen eines ungleichen Wettstreites, wie die jüngsten Überschwemmungen zeigen. Jurt und Pridgar finden verblüffend ästhetische Bilder für die verheerenden Auswirkungen von Wetterkatastrophen. Ein verschlungenes Liniengewirr überzieht ihre Rallye-Bilder. Aus einigem Abstand betrachtet, fügen sich die Schlaufen und Schleifen in unzähligen Blau-, Grün- und Brauntönen zu etwas zusammen, das wir als reissende Fluten und Erdrutsche deuten können.
Jacqueline Jurt und Harald Pridgar verwenden die Medien der Jetztzeit in altmeisterlichem Tempo. In wochenlanger Arbeit generieren sie die Bilder Strich für Strich am Computer. Stets ist nur ein kleiner Ausschnitt des Werkes auf dem Bildschirm sichtbar. Nur mit grosser Konzentration und Vorstellungsvermögen können aus diesem langwierigen Verfahren derart lebendige, beinahe impressionistisch anmutende Bilder entstehen. Doch wer nun glaubt, Jurt und Pridgar seien stets selbst involviert in den materiellen Entstehungsprozess ihrer Arbeiten, den belehrt «Mia» eines besseren. Die Installation, die der Ausstellung ihren Namen gab, beruht auf der Idee beider Künstler, den handwerklichen Teil übernahm eine Spezialistin. Und entsprechend professionell sehen sie aus: dreissig Röcke in Vereinsfarben als Reverenz an eine der Grössten des Frauenfussballs, an Mia Hamm, die in den Vereinigten Staaten ihre männlichen Kollegen an Popularität und Jahreseinkommen in den Schatten stellt. «Mia» weckt die Sehnsucht nach solchen Verhältnissen. Scheinbar mühelos wird eine von Schweiss, Fouls und Drohgehabe geprägte Männerdomäne in ein Spielfeld weiblichen Sexappeals verwandelt, indem die Trikots auf die Hüften rutschen und ganz unbekümmert auch die befeindetsten Clubs gemeinsam auftreten. Jurt und Pridgar halten sich auch hier weder an den gesellschaftlichen Konsens noch an gebräuchliche Denkmuster. Ihre vielseitigen Arbeiten führen auf witzig intelligente Weise so manches ad absurdum, was bislang selbstverständlich schien.
Auf eine andere Weise absurd und überraschend sind die Ideen des dritten Künstlers der Ausstellung. Unbehelligt und unbeeindruckt von den Kopierschützern der Musikindustrie giesst der 1975 geborene Genfer Frédéric Post Schallplatten mit Weissleim aus und schafft so abspielbare Tonkunst der Marke Eigenbau. Die Installation mit umgestürzter DJ-Plattform suggeriert einen Affront auf den Hörergeschmack, doch das Klangerlebnis ist vom Feinsten.