Das Toggenburg klingt

by Kristin Schmidt

Der Klangweg ist eröffnet. Seit zwanzig Jahren lockt der Klangweg Jung und Alt, Gross und Klein ins Toggenburg. Jetzt wurde er erneuert, überarbeitet und mit zwölf neuen Klangkunstwerken bestückt. Mit den neuen Klangweg finden Natur und Klang auf nachhaltige und sinnlich erfahrbare Weise zusammen.

Interaktive Klangwerke, Geräuschverstärker, traditionelle Objekte und aktuelle Technik – der neue Klangweg verbindet Kunst und Natur, Klang und Handwerk, sinnliche Erfahrung und Wissensvermittlung. Auf den sechs Kilometern zwischen Sellamatt und Oberdorf sind 28 Klangobjekte und -kunstwerke installiert. Einige prägen den Klangweg bereits seit zwanzig Jahren, andere wurden neu konzipiert und sind das Ergebnis eines Kunstwettbewerbes.
Der «Zugspecht» von Hamper von Niederhäusern gehört seit 2005 zum Klangweg. Mit einem Seilzug lassen sich Töne erzeugen, die dem Klopfen eines Spechtes gleichen. Jetzt hat der Zugspecht Nachbarn bekommen: Nur wenige Schritte entfernt hängen seit dem Mai 2024 vier Kunstspechte. Werden sie aktiviert, trommeln sie auf Klangstäbe. Die mechanischen Tiere reagieren auf die elektromagnetischen Signale von elektronischen Geräten. Sind viele Menschen mit ihren Mobiltelefonen in der Nähe, ertönt ein intensives Klopfen – so wie am Eröffnungswochenende des Klangweges: Bei gutem Bergwetter begaben sich viele Gäste auf die Klangreise. Auch die Kunstspechte profitieren vom Sonnenschein, ihre Motoren werden durch Solarenergie gespeist. Genauso wie die «Archive Cabine»: Die Telefonkabine mit Solarzelle auf dem Dach steht unterhalb der Bergstation Iltios. Wer sie öffnet, hört das Telefon schellen. Aus dem Hörer erklingen beispielsweise Geräusche von Schritten auf Schnee, von einer grasenden Kuh oder das Plätschern eines Baches. Eigene Sounderlebnisse lassen sich hinzufügen und werden Teil eines ständig wachsenden Soundarchivs. Entwickelt wurde «Archive Cabine» von der französisch-schweizerischen Künstlerin Mélia Roger. Ihre Arbeit erinnert auch daran, dass die gesprochene Sprache zu den Klangerlebnissen und ins grosse Archiv der natürlichen Töne gehört. Der Schweizer Michael Roth hingegen thematisiert den Klang technischer Infrastrukturen. Er verstärkt die Geräusche einer Seilbahn, das Pfeifen des Windes in den Seilen, das Rattern und Surren. Der Seilbahnmast selbst wird zum Klangkörper.

Natur- und Klangraum

Auch die «Klangbahn» wird mit Solarenergie betrieben. Die nachhaltige Energieversorgung ist eines der Kennzeichen des neuen Klangweges. Ökologische Aspekte spielten aber auch auf andere Weise eine Rolle bei der Neukonzeption: Das Augenmerk liegt insbesondere bei den neuen Klangkunstwerken weniger auf der Sounderzeugung als auf der bewussten Erfahrung der Klänge der Natur und des Toggenburgs im Besonderen. So kommt Florian Dombois´ «Aeolion» vollständig ohne Strom aus und schärft zugleich die Sinne für die Klangkraft strömender Luft. Die Windharfe kann unterschiedlich ausgerichtet und auf verschiedene Tonhöhen eingestellt werden – sie ist ein Instrument mitten in der Landschaft. Der Franzose Vincent Martial richtet die Aufmerksamkeit auf die leisen Töne, auf das Rascheln, das Wispern, das Tröpfeln. Sein Werk «air frequencies» funktioniert als natürlicher Verstärker, ähnlich wie eine ans Ohr gehaltene Muschel. Es bringt Töne zu Gehör, die im Tosen der Alltagsgeräusche untergehen. Noch minimalistischer ist die Installation des Österreichers Peter Ablinger: Zwölf stabile Holzstühle auf einer Plattform laden ein, anzuhören, was es vor Ort zu hören gibt. Das ist im Toggenburg sehr viel. Der Naturraum klingt, auch der landwirtschaftliche Raum tönt und die Verkehrsader im Tal. Der Klangweg zeigt die Vielfalt der Klänge und ihre Verbundenheit: Die Natur ist durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägt, das Erlebnis Natur wiederum ist von der Erreichbarkeit des Landschaftsraumes abhängig. Das Toggenburg lebt von dieser gewachsenen Verbindung. Ein Zeichen dafür sind die drei «Bet(t)ruftrichter». Sie sind an unterschiedlichen Stellen des Klangweges platziert und erinnern in ihrer Form an die Betruftrichter der Region. Senninnen und Sennen erbitten mit diesen hölzernen Trichtern die Heiligen um Schutz, der Ruf hallt weit durchs Tal. Am Klangweg bieten sich die um ein Vielfaches vergrösserten Holztrichter nicht nur als Klangverstärker an, sie sind kleine Rückzugsräume. In ihrem Schutz lassen sich die Klänge des Toggenburgs individuell erfahren. Der Klangweg ermöglicht eine Fülle neuer Hör- und Tonerlebnisse. In der reichen Natur- und Kulturlandschaft des Toggenburgs lädt er zu einer einzigartigen akustische Reise ein.

Medienmitteilung Klangweg Toggenburg