Obacht Kultur, Farbe
by Kristin Schmidt
Lisa Rotach, Naturfarben: «Wir lassen uns aufs Material ein, es gibt den Umgang und die Zeit vor.»
«Machen Sie mal, das wird schon gut.» – solche Sätze hört Lisa Rotach manchmal von ihren Kundinnen oder Kunden. Dieses Vertrauen ist schön, dennoch möchte die Malerin ihre Arbeit im Austausch entwickeln. Schliesslich werden Farben sehr unterschiedlich wahrgenommen und können die Atmosphäre eines Gebäudes entscheidend beeinflussen. Für Lisa Rotach ist es wichtig zu erfahren, wie die Menschen leben, wie sie die Räume nutzen, welche Lieblingsfarben sie haben. Denn ihre Arbeit geht weit über einen Wandstrich hinaus: «Ich vermittle, wie Farben eingesetzt werden können in Verbindung mit Architektur und Licht.» Diese konzeptuelle Arbeit gehört nicht zu den Grundkenntnissen im Malerhandwerk. Lisa Rotach hat sie sich in mehreren Weiterbildungen angeeignet. Am Anfang stand eine konventionelle Malerlehre und die die Arbeit in einem Grossbetrieb mit künstlichen Farben. Das war für Lisa Rotach weder interessant genug noch der Gesundheit zuträglich, deshalb hat sie sich für einen anderen Weg entschieden, hat eine Ausbildung zur Baubiologin abgeschlossen, mehre Weiterbildungen absolviert und ist zertifizierte «Meisterin der Farbe». Damit arbeitet sie nach den Farbprinzipien von Le Corbusier mit natürlichen Farbpigmenten: «Ich mache keine Abstriche mehr bei der Qualität und der Ökologie. Unsere Farben mischen wir selber im Betrieb nach biologischen Grundsätzen.» Einem aktuellen Trend folgt sie damit nicht, sondern einem Grundbedürfnis der Menschen: «Wir verbringen viel Zeit im Innenraum, da ist es wichtig womit wir uns umgeben – Gift passt da nicht dazu.» Allerdings gibt es einen limitierenden Faktor in der Arbeit mit Naturfarben: die Zeit. Die Prozesse dauern länger, die Farben trocknen langsamer. Aber für Lisa Rotach ist auch das keine Hürde: «Wir lassen uns aufs Material ein, es gibt den Umgang und die Zeit vor.»
Jürg Müller, CEO arcolor, Waldstatt: «Unsere Farbe muss was aushalten!»
Trinkröhrli, Paketklebeband und eine graue Tischplatte haben weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick etwas gemeinsam. Und doch: In allen dreien steckt Arbeit von arcolor drin. Hier, in Waldstatt, produziert die Firma Druckfarbe, die weltweit eingesetzt wird – in der Möbelindustrie, für Verpackungsmaterialien und vieles Anderes, das Farbe braucht. Arcolor stellt Konzentrate her, die an die Druckereien geliefert werden, die wiederum die weiterverarbeitenden Betriebe beliefern – bis schliesslich der Tisch, der Trinkhalm oder das zugeklebte Paket im Haushalt oder im Büro landen. Arcolor ist Teil einer langen Kette und muss alle ihre Glieder im Blick behalten, wie Jörg Müller, CEO von arcolor, betont: «Farbe ist viel mehr als ein Farbton. Sie muss temperaturbeständig sein, gut verarbeitbar und zum Schluss auch lichtecht. Unsere Farben müssen auf langer Strecke etwas aushalten.» Denn ein Möbel ist kein Wegwerfartikel, selbst wenn seine Farbe Trends unterworfen ist. Während also die Konsumindustrie auf Trendscouts setzt, ist bei arcolor die grösste Abteilung jene für «Forschung und Entwicklung». Sie tüftelt an Zusammensetzungen, deren Pigmente nicht die Farbdüsen der Drucker verstopfen, die sich auch auf grossen Flächen homogen verteilen lassen, die leuchten, nicht ausbleichen und selbstverständlich schadstofffrei sind. Arcolor-Farben sind Alleskönner – und deshalb überall gefragt. Von Waldstatt aus gehen fast 100% der hier hergestellten Farbkonzentrate in die ganze Welt und sind in vielen Bereichen das weltweit einzige Fabrikat. Wer also farbig bedruckte Kartons, Folien oder Klebebänder erblickt, hat höchstwahrscheinlich ein bisschen Farbe aus Waldstatt vor sich.
«Obacht Kultur», Farbe, N° 46, 2023/2