Rote Viren und ein Roboter: Das Kunsthaus Bregenz zeigt Werke des amerikanischen Künstlers Jordan Wolfson
by Kristin Schmidt
Rot ist eine laute Farbe, eine Warnfarbe, eine Primärfarbe. Wer «Achtung!» sagen will, nutzt Rot. So auch Jordon Wolfson. Der 1980 in New York geborene Künstler zeigt im Kunsthaus Bregenz eine Auswahl seiner Werke. Rot taucht darin immer wieder auf.
Kristin Schmidt
Ein rotes Virus hüpft durch New Yorks Strassenschluchten. Es schwebt, es springt, es schlenkert fröhlich mit seinen Proteintentakeln. Mal verwandelt es sich in einen vieleckigen Körper, dann bläst es sich auf, bis es zu platzen droht, dann kugelt es munter weiter. Präsentiert Jordon Wolfson hier den Siegeszug des Coronavirus? Die Entstehungszeit seines Videos «Raspberry Poser» acht Jahre vor der Coronapandemie und die animierten Kondome verweisen auf ein anderes Virus: HIV ist noch immer präsent. Und es zirkuliert überall. In Wolfsons Video wabern die Kondome durch herzig eingerichtete Kinderzimmer, klinisch reine Wohnwelten und schmucke Wohnzimmer. Überall verteilen sie rote Herzchen. Dazwischen: Anarchie-Zeichen, Geschlechtersymbole, eine wütende Comic-Figur, ein freundlicher Skinhead – Jordon Wolfson mixt alles und erreicht wenig. Denn die grosse Themenvielfalt lässt eine eigene Haltung oder eine Dringlichkeit des Gezeigten kaum erkennen. Auch der immense technische Aufwand bei seinen künstlerischen Werken täuscht darüber nicht hinweg.
Wilder Mix aufwendig inszeniert
Das Virus-Video nimmt ein ganzes Stockwerk des Kunsthaus Bregenz ein. Der Raum ist vollständig mit einem weissen Kuschelteppich ausgelegt, Musik und die Pop-Ästhetik des Videos sind durchaus anziehend, provozieren aber kaum ein längeres Nachdenken. Ähnlich ist es mit «Artists Friends Racists» eine Etage weiter oben: Hier drehen sich vor einer freistehenden Wand zwanzig Hologramm-Ventilatoren mit hoher Geschwindigkeit. Sie erzeugen die Illusion von Bildern, die im Raum schweben. Emojis, Davidsterne, die Arme einer Trickfigur erscheinen und verschwinden wieder. Aus dem englischen Wort für Freunde wird das für Rassisten und dann jenes für Künstler, immer wieder aufs Neue, dazwischen Bilder von Breughel, Caravaggio und Niederländer mit schwarz angemalten Gesichtern, die den «Zwarte Piet» feiern: alles zwanzigfach, alles im schnellen Wechsel. Aber weder die Anzahl der Bilder, noch ihre rasche Abfolge oder die technische Spielerei der Hologramm-Installation steigern die Intensität der Aussage. Ebenso wenig gelingt dies den im gleichen Raum gezeigten Wandobjekten. Das Christuskreuz trifft hier auf den weissen Hai. Groucho Marx trifft auf John F. Kennedy Junior und beide werden mit Ketten und Riemen gebändigt. Eine brave Kinderschar wird mit Vampirzähnen versehen. Darüber überall Bibelzitate, rote Rosen und Herzen, Kreuze, Runen und ab und an ein Davidstern. Es ist ein vielfältiges Spiel mit popkulturellen, spirituellen und medialen Symbolen, in die Tiefe geht dies jedoch nicht.
Gogo-Girl oder Baba Jaga
Jordon Wolfsons bisher bekanntestes Werk «Female Figur» ist im dritten Obergeschoss des Kunsthauses zu sehen. Auch dessen Faszination entsteht vor allem durch Form und Technik: Eine lebensgrosse und der menschlichen Gestalt nachempfundene Roboterfigur tanzt vor einem Spiegel. Sie trägt weisse, hochhakige Stiefel, weisse, lange Handschuhe und ein knappes, beschmutztes Negligé. Das Gesicht unter der platinblonden Perücke ist zur Hälfte von einer grünen Maske mit langer Nase bedeckt. Verblüffend geschmeidig bewegt sie sich vor dem Spiegel und nimmt dank der Gesichtserkennungssoftware Blickkontakt mit dem Publikum auf. Die Künstlichkeit der Figur wird durch die offenen Schultergelenke betont, gleichzeitig lässt «Female Figur» erahnen, wie nah die Technik bereits am lebenden Original ist. Ihre Baba Jaga-Maske verschränkt die Installation mit dem Erdgeschoss des Kunsthauses: Hier hängt ein blutrotes Haus an der Wand, das Dach blickt in Form einer Hexenmaske in den Raum: Wer sich gruseln möchte, ist hier gut aufgehoben, aber die Effekte erzielen eher kurzfristige Wirkung.