Von Bilderflut und Hochwasser

by Kristin Schmidt

Drüben wohnen die anderen. Drüben ist überhaupt alles anders. Oder zumindest ein bisschen was. Das politische System beispielsweise und das Schulsystem, auch die Geschichte, die Währung, ausser im Fürstentum Liechtenstein, ebenso die Mentalität. An welchen Punkten existieren Grenzen nicht nur auf der Landkarte, sondern sind auch zu spüren? Kommt es darauf überhaupt an? Können sich diese Unterschiede verändern?
Im St.Galler Rheintal teilt der Fluss mehr als nur das topografische Gelände. Aber er verbindet auch: Das Wasser fliesst von hier bis Rotterdam. Der Rhein bietet Identifikationspotential ebenso wie Assoziationsfläche. Letztere nutzt die Ausstellung «jenseits» im Stellwerk Heerbrugg. Sie gehört in die Reihe «Kulturraum S4», mit der das Amt für Kultur des Kantons St.Gallen ganz unterschiedliche Orte entlang der S-Bahnlinie 4 der Südostbahn in den Blick rückt. Nach Stationen in einem Bergwerksstollen, im Kloster Magdenau oder im Wartesaal des Bahnhofs Lichtensteig nun also das Stellwerk: ein kleiner zweigeschossiger Bau, wie es viele gibt – unauffällig, im oberen Stockwerk grosszügig durchfenstert, zweckmässig und doch ausgemustert. In Heerbrugg wird das Stellwerk seit bald zwanzig Jahren von einem Verein als Ort für Kultur genutzt. Nun zieht für einmal die Kunst mit einer kuratierten Gruppenausstellung ein. Das Motto «jenseits» steht lose über allem, nicht zuletzt deshalb, weil sich das Konstrukt Landesgrenze derzeit auch im Rheintal deutlich manifestiert.
Claude Bühler (*1991) wendet den Blick von ihren früheren globalen Themen in unmittelbare Nähe. Ihre Fotoinstallation zeigt das Universelle im Eigenen und Individuellen. Tamara Janes (*1981) stellt die unkritisch medial vervielfachten Bildwelten in den sogenannten sozialen Netzwerken ihren Rechercheergebnissen in der New Yorker «Public Library Picture Collection» gegenüber. Einen starken formalen Kontrast zu diesen beiden Positionen stellen die Arbeiten der St. Gallerin Priska Rita Oeler (*1961) dar. Sie untersucht die Wechselwirkung von Rohleinwand und Farbflächen, von malerischer Handlung und Material. Von Miro Schawalder (*1983) wird der Entstehungsprozess des Hörspaziergangs «Grenzschleusen im Rheinvorland» präsentiert. Ob NS-Zwangsarbeit, Hochwasserschutz oder Flucht – in seiner Arbeit kommen das Trennende und das Verbindende zusammen.