Dynamik im Appenzellerland
by Kristin Schmidt
Appenzell — Eine Ausstellung ohne Thema, aber mit Konzept. Eine Ausstellung mit allen, die mitmachen wollen, aber kein Jekami. Eine Ausstellung ohne Kurator, aber doch sorgfältig in Szene gesetzt. All das ist «App’n’cell now». Der Titel klingt etwas sperrig, biedert sich aber nicht den Digitalversessenen an, sondern will ein Gefühl von Rock’n’Roll wecken: dynamisch, spontan, eigenständig. Dazu passt die ungewöhnliche Ausgangslage der Ausstellung: Roland Scotti, Kurator des Kunstmuseums Appenzell und der Kunsthalle Ziegelhütte, hat sich von den Kulturämtern der beiden Appenzell die aktuellen Künstlerlisten geben lassen. Die 126 dort verzeichneten Künstlerinnen und Künstler wurden für «App’n’cell now» angefragt, 69 haben sich zurückgemeldet. Deren Werke sind nun überall in der Kunsthalle zu sehen sogar im alten Ziegelbrennofen, in den Zwischengeschossen oder auf dem Panoramafenster. Diese eigenwilligen Plätze lassen sich kaum mit Arbeiten aus dem Fundus bestücken. So ist vieles eigens für die Ausstellung entstanden. Karinna K. Bühler beispielsweise hat auf dem Dach der Kunsthalle den Schriftzug «I ha en tromm» platziert, bezogen auf Martin Luther Kings «I have a dream» und auf das Frauenstimmrecht, das bekanntermassen in Appenzell Ausserrhoden erst 1989 und in Innerrhoden erst 1990 in Kraft trat. Dank Alexander Meszmer und Reto Müller singen Kissen mit Heimatmotiven unter einer niedrigen Holzbalkendecke allbekannte Volkslieder. Thomas Stüssi zeigt in einer Nische neben rohem Mauerwerk eine «Anhäufung von eventuell Notwendigem auf einer Fläche von 4m2» und bildet damit einen deutlichen Kontrast zu den musealen Präsentationen in den Ausstellungssälen. Dieses Nebeneinander und diese Vielfalt sind eine Stärke der Ausstellung. Beides funktioniert auch in zeitlicher Hinsicht: Die Ausstellung wird während der Gesamtdauer dreimal umgebaut, manche Positionen wechseln, andere bleiben. Diese Dynamik ist einerseits dem beschränkten Platz geschuldet, andererseits hält sie die Präsentation lebendig und sorgt für einen Austausch unter den Beteiligten. Auch dies ein erklärtes Ziel Scottis: die Netzwerke stärken, das Bewusstsein für die regionale Szene wecken und ihr damit zu mehr Präsenz verhelfen. Das ist jetzt, da Anlässe und persönliche Treffen streng reglementiert sind, besonders wichtig und besonders schwierig – dank des neuen Ausstellungsformates könnte es dennoch gelingen. ks
Bis 14. März 2021
www.kunsthalleziegelhuette.ch