Keine Trauer ohne Rose
by Kristin Schmidt
Bunny Rogers zerlegt im Kunsthaus Bregenz den Trauerkult
Ein Meer aus Zellophan bedeckte den Boden vor dem Buckingham Palace: Diana, die ehemalige Kronprinzessin, tot. Tausende und Abertausende Menschen wollten ihre Emotionen ausdrücken. Aber wodurch? Wie lässt sich in säkularisierten Zeiten trauern? Wie Anteilnahme beim Unfalltod einer Person des öffentlichen Lebens zeigen? Wie Betroffenheit?
Die Trauer um die «Königin der Herzen» war in ihrer materiellen Präsenz zwar besonders ausufernd, ist aber längst kein Einzelfall. Blumen, Lichter und Plüschtiere künden immer wieder vom verzweifelten Wunsch der Menschen, sich zum Tod Anderer zu äussern, seien es prominente Verstorbene oder die Opfer von Anschlägen oder grosser Unglücke. Dieses kollektive Trauervokabular ist trotz rasanter gesellschaftlicher Veränderungen recht stabil und weicht sogar auf sogenannten Onlinefriedhöfen nicht wesentlich ab von etablierten Ritualen. Auch virtuell werden Trauerkerzen gespendet, Herzen und Rosen zum Anklicken angeboten. Und weil die Trauersitten bei aller Heterogenität einander so ähnlich sind, funktioniert Bunny Rogers´ Installation im Kunsthaus Bregenz universell und unabhängig von der persönlichen Ausgangssituation der Künstlerin. Zwar stellt sich die 30jährige US-Amerikanerin selbst als Verstorbene im Erdgeschoss des Ausstellungshauses dar, aber das glatte, verjüngte Gesicht passt bestens zur app-gesteuerten Porträtretusche – jede Individualität ist getilgt.
Effektvolles Gedenken
Wieder einmal wird das Kunsthaus Bregenz seinem Ruf gerecht, einzigartige Installationen mit grosser Geste zu präsentieren. Für Bunny Rogers´ «Kind Kingdom» wurden keine Mühen gescheut, kein inszenatorischer Aufwand kleingerechnet. Diesmal ist das Foyer in Dunkel gehüllt und mit einer – inzwischen freilich recht zertretenen – Rasenfläche ausgelegt. Effektvoll strahlt blaues Licht auf einen Hügel aus getrockneten Rosen, manche in Zellophan eingepackt, und blauschimmernden Schokoladenherzen. Ein blumenumranktes Bildnis zeigt die Künstlerin in jugendlichem Alter, stellvertretend für alle, die sich mit dieser Trauerkultur identifizieren wollen. Wohin diese Kultur führt, zeigt die Künstlerin im ersten Obergeschoss etwas zu deutlich, deshalb ist diese Etage die schwächste in der gesamten Ausstellung: Die Trauerfeier ist vorüber, anstelle des Rosenhügels türmen sich schwarze Abfallsäcke. Pappteller, Dosen, verschrumpelte Luftballons sind auf dem Rasen verteilt. Leere Flaschen und süsslicher Geruch zeugen von einem alkoholgetränkten Gelage – so sieht die Ohnmacht gegenüber dem Tod aus, sehr explizit, sehr detailverliebt. Abstrakter kommen die in Betonpfeiler gegossenen Rosen und die Pappsärge im zweiten Obergeschoss daher. Umgeben sind sie von Absperrgittern, in die mal Klebebänder, mal Satinschleifen eingeflochten sind; die profane Wirklichkeit und die Sehnsucht sie zu negieren sind eng verknüpft.
Kunsthaus als Duschraum
Im obersten Stockwerk des Hauses schliesslich gelingt der Künstlerin die stimmige Synthese all ihrer Aussagen. Wohl noch nie in der Geschichte des Kunsthauses wurde die Architektur Peter Zumthors krasser umgedeutet. «Locker Room» verwandelt die klare Strenge des Raumes in eine Gemeinschaftsdusche. Plötzlich geht das diffuse Licht eine Symbiose ein mit dem im Raum verteilten Dampf und der Beton wird zur schlüssigen Folie für die gefliessten Wände in gelb und beige. Die Duschköpfe tropfen und Wasserlachen stehen auf der riesigen gefliessten Bodenfläche. All das steigert die Brisanz der Assoziationen beginnend bei der Massenreinigung über die Massenabfertigung bis hin zur Massensäuberung.
Das Aussehen des Duschraumes bezieht sich auf jenen der Columbine High School in Littleton. Der Amoklauf dort vor 21 Jahren gehört zu den Kernthemen der Künstlerin, findet sie doch darin das ganze Spektrum der Trauerkultur: vom Verlust nahestehender Menschen über das Trauma der Überlebenden, die kollektive Erinnerung, das offizielle Mahnen und Gedenken bis hin zur Faszination, die auch oder gerade die grauenhaftesten Ereignisse mit einer hohen Zahl Toter ausüben.