Eins aus Drei
by Kristin Schmidt
Was haben Medardo Rosso, Lucio Fontana und Gotthard Graupner gemeinsam? Oder Wilhelm Lehmbruck und Otto Piene? Die Antwort ist in der Hilti Art Foundation überraschend einfach. Diese Künstler wecken die Lust an der Oberflächenbetrachtung: stumpfweiches Polster hier, wächserne Wangen dort, samtglatter Steinguss da, rhythmisch gesetzte Nagelstruktur dort. Ein radikaler Schnitt kontrastiert mit einem stoffbespannten Kissen, eine multiplizierte Falte mit einer Kinderwange. Alles wogt, flimmert und glänzt so sehr, dass Farbe nicht vonnöten ist: Die Werkauswahl im Untergeschoss des Museumsbaus verzichtet auf starke Töne. Sie vereint Abstufungen von Weiss bis dunklem Ocker und setzt mit Schwarz Akzente. Dieser stark formal motivierten Zusammenstellung unter dem Titel «Epidermis» folgt im nächsten Stockwerk ein inhaltlicher Zugang. Hier steht die «Conditio Humana» im Mittelpunkt. Allerdings umfasst die Werkauswahl hier überwiegend Porträtdarstellungen und zeigt damit vor allem das Bild, das sich der Mensch vom Menschen macht. Die Bedingungen des Menschseins spiegeln sich hingegen in Max Beckmanns «Der Traum des Soldaten», seines Bildnisses einer Zigarette rauchenden Frau oder Georges Seurats «Le tas de pierres». Letztgenanntes Werk gehört mit den Plastiken Medardo Rossis zu den ältesten Werken der Ausstellung und in diesem Saal. Ansonsten liegt der Schwerpunkt hier auf der klassischen Moderne. Im dritten Obergeschoss wird die Auswahl wieder vielseitiger und spannungsvoll. Da treffen Hodler auf Struth, Albers auf Klapheck oder Richter auf Vordemberge-Gildewart. Das Motto dieser Begegnungen ist «Kosmos» und damit ein weit gefasster Begriff. Nichts geringeres als die natürliche und abstrakte Ordnung der Welt wird hier zu fassen versucht. Das geschieht auf eine subjektive und dennoch gültige Art und Weise. Aber ist die Ausstellung nun wirklich eine in drei Kapiteln? Eher handelt es sich um drei unabhängige Präsentationen, die den Schwerpunkt mal auf formale Aspekte, mal auf inhaltliche setzten und einen jeweils unterschiedlichen Charakter entfalten. Alle drei zeugen sie von der aktiven Arbeit mit der Sammlung. Und ein Blick auf die Ankaufsdaten verrät: Die Werke wurden zwischen 2001 und 2019 erworben. Allerdings ist mit Dadamaino nur eine Frau mit einer einzigen Arbeit vertreten. Spiegelt das den Anteil der Künstlerinnen in der Sammlung? Weit entfernt von Quotenforderungen, stellt sich hier die Frage: Sind Künstlerinnen tatsächlich so wenig interessant für die Hilti Art Foundation?