Bilder von Bauten

by Kristin Schmidt

Die Denkmalpflege nutzt ein grosses, ständig wachsendes Fotoarchiv. Die eigens entstandenen Aufnahmen sind aber nur ein Teil der Arbeit mit Bildern. Auch Luftbilder, Postkarten und Zeichnungen sind wertvoll.

„Wie würden wir Denkmalpflege betreiben ohne Bilder? Gäbe es die Denkmalpflege überhaupt?“ Die Arbeit der Denkmalpflege ist von Bildern geprägt. Vreni Härdi und Hans-Ruedi Beck, die seit dem vergangenen Sommer die Denkmalpflege des Kantons Appenzell Ausserrhoden leiten, sind auf Bilder angewiesen. Wie sonst liesse sich der Auftrag der Denkmalpflege umsetzen, den historischen Bestand zu sichern und zu erhalten, wenn nicht auf der Grundlage übermittelter Bilder und Darstellungen? Je älter das Bild ist und je populärer das Gebäude in seiner Zeit war, desto grösser ist die Chance, darauf den ursprünglichen Zustand wiederzufinden. Und je weiter die Recherche zurückgeht, desto vielschichtiger ist das Bildmaterial. Da sind zum Beispiel Johann Heinrich Fitzis Zeichnungen. Kurz bevor die Fotografie breiter zugänglich wurde, hielt er die Ausserrhodischen Wege, Stege und Streusiedlungen auf akribische Weise fest. Die Zahl der Fenster, der Hag zum Garten hin – alles scheint die Realität aufs Genaueste wiederzugeben.

Fitzis Federzeichnungen der Appenzell Ausserrhoder Ortsbilder eignen sich als Nachschlagewerk. Dennoch kann sich die Denkmalpflege nicht vollständig auf die Blätter Fitzis verlassen, hat er doch auf seinen Gemälden selbst die Spitze des Säntis so angepasst, dass diese in den Kanon der Bergspitzen passte. Fitzis Bilder nutzen vor allem dann, wenn der Dorfkontext, das Gefüge der Bauten angesehen wird. Deshalb sind auch die ersten Luftaufnahmen etwa eines Walter Mittelholzer interessantes Material. Sie lassen Aussagen zu über Umgebung, Nachbarschaft, Vegetation – Bildfunktionen, für die sich inzwischen Google Earth etabliert hat. Wird jedoch herangezoomt, in die Orte hinein, taucht eine andere wichtige Bildquelle auf: zeitgenössische Postkarten. Hans-Ruedi Beck schätzt die Postkartenbücher, denn eignen sich besonders, um spezifische Bauteile von ortstypischen Gebäuden zu sichten, wie zum Beispiel Gauben oder Kamine. Vreni Härdi wiederum hat sich bei Sammlern bereits gezielt einzelne Ansichtskarten bestellt: „Eine Postkarte ist mehr als ein bedrucktes Stück Papier mit einer Briefmarke und ein paar handschriftlichen Zeilen. Postkarten erzählen über die populäre Sicht auf eine Ortschaft, sie berichten von Arztbesuchen in Heiden und von Stimmungen im Dorf und darüber, was als touristisch repräsentativ empfunden wurde.“

Die Denkmalpflege achtet also nicht unbedingt auf das Hauptmotiv der Postkarte, sondern vielmehr darauf, wie die Vorplätze genutzt waren, wo es schon vor Hundert Jahren Wasserschäden am Fundament gab, wie die Vorhänge aussahen, wo ein Baum neben einem Brunnen stand. All dies ist wichtig für die Arbeit. Wenn etwa vor einem Haus ein halbes Dutzend Pferde angebunden war oder die grossen Automobile der 1940er Jahre standen, dann kann dies die Frage nach einer künftigen Parkplatzgrösse beantworten.

Die Postkartenfotografien vermitteln jenseits der eigens aufgereihten Bauernfamilien oder des stolz präsentierten Muni ein authentisches Bild, entstanden sie doch aus dem Bewusstsein für die Vergänglichkeit heraus und mit dem Wunsch, Augenblicke festzuhalten und zu teilen.

Für die Objektpflege ist das Fotoarchiv der Denkmalpflege unerlässlich. Jedes geschützte Gebäude, vom Brunnenhäuschen bis zur Kirche, ist nach seiner Assekuranznummer registriert, und die rund 75‘000 Fotos sind beim jeweiligen Gebäudedossier elektronisch abgelegt. Die Denkmalpflege selbst trägt zu diesem Bildarchiv bei. Seit der Einrichtung der Denkmalpflege in Appenzell Ausserrhoden sammeln die Mitarbeitenden Bilder und fotografieren vieles selbst. Inzwischen erweist sich die Kamera des Smartphones als besonders praktisches Dokumentationsinstrument. Aber vielleicht ginge es doch auch ganz ohne Bilder: Der viel zitierte, hohe, gut unterhaltene und bewohnte historische Gebäudebestand von Appenzell Ausserrhoden macht es möglich, die Bautradition direkt vor Ort zu studieren. Bestehende Strickwände, Dillböden, Schindelunterdächer machen eine Recherche in der Bilddatenbank überflüssig, Augenschein und Beratung durch Handwerker vor Ort genügen vollkommen um sich ein Bild der historischen Begebenheiten vor dem inneren Auge heraufzubeschwören.

Obacht, No. 32 / Heft 2018/3