Mars und Mäntel
by Kristin Schmidt
In einer Doppelausstellung zeigt der Kunstraum Kreuzlingen Werke der Zürcher Künstlerinnen Maya Bringolf und Céline Brunko. Beide Präsentationen funktionieren unabhängig voneinander und doch gibt es Verbindendes.
Der Stoff löst sich vom Körper, die Falte löst sich vom Kleid. Faltenwürfe fallen in Kaskaden von den Holzfiguren der Renaissance herab. Sie schwingen sich in barocken Deckengemälden in den Himmel. Sie erweitern Marmorskulpturen in den unendlichen Raum. Falten waren und sind eine Spielwiese für malende und bildhauende Virtuosen.
Maya Bringolf knüpft an diese Tradition an und überführt sie sowohl materiell als auch inhaltlich in die Gegenwart: Ihre mit Harz überzogenen Regenmäntel sind ehemalige praktische Bekleidungsstücke. Sie stehen oder lehnen im Erdgeschoss des Kunstraum Kreuzlingen an der Wand und falten sich auf dem Boden. Die Erinnerung an den menschlichen Körper ist ihnen eingeschrieben und zugleich sind sie leere Hülle. Sie hatten einst eine Funktion und sind nun monochrome, vielgestaltige Form.
Die formale Qualität von Alltagsdingen zu erkennen und zu transformieren ist eine der Stärken der 1969 geborenen Zürcher Künstlerin. So sind auch die eisblau schimmernden Epoxidharzscheiben mehr als abgeformte Dolendeckel. Sie gleichen kleinen Seen, besitzen aber die Struktur des gebauten Raumes. Sie verweisen mit ihrer Farbigkeit und ihrer Transluzenz auf das Wasser unter der Erdoberfläche wie auf den Himmel darüber. Damit bilden sie auch die Brücke zur Ausstellung im Untergeschoss des Kunstraumes Kreuzlingen. Hier hat Céline Brunko, Jahrgang 1987, ihre Installation „Space Colony“ passgenau eingerichtet. Ihr Thema könnte aktueller kaum sein und ist doch eigentlich nebensächlich: Brunko bezieht sich auf das Projekt „Mars One“, dessen Ziel es war, Menschen auf den Mars zu senden, um dort eine neue Gesellschaft zu errichten.
Mars One ist inzwischen auf unbestimmte Zeit verschoben, aber „Mars Insight“ ist Anfang Mai gestartet und will den Mars als erdähnlichen Planeten besser erforschen. Unabhängig von diesen konkreten Missionen ermöglicht Brunkos Installation eine komplexe Raumerfahrung. Die eine der beiden Videoprojektionen zeigt das All in verschiedenen Dimensionen und die Versuche, es mit Raketen zu erobern, die andere den Menschen als sich fremd gewordenes Wesen. Spiegel fangen diese Bilder auf und werfen sie zurück in den Ausstellungsraum. Dessen Säulen durchschneiden die Projektion mit ihren Schattenwürfen und reflektieren die Bilder ebenfalls. Die Lichtbahnen kreuzen einander, und die Spiegelungen erweitern den Raum je nach Fokus oder werfen den Menschen auf sich selbst zurück – ein perfektes Bild für die unendliche Grösse des Raumes und ebenfalls eine gelungene Fortsetzung der barocken Himmelsfalten.