Die Psyche im Bild
by Kristin Schmidt
St.Gallen: Das Museum im Lagerhaus zeigt die Sammlung C.G. Jungs. Es ist die erste öffentliche Präsentation des umfassenden Archivs und damit ein wichtiger Schritt zur Kontextualisierung.
Kunst von Patienten und Patientinnen aus psychiatrischen Anstalten und Kliniken ist längst keine Verschlusssache mehr. Waren es zunächst einige prominente Beispiele, die an die Öffentlichkeit gelangten, wurden bald immer neue Entdeckungen im Kontext zeitgenössischer Kunst oder in spezialisierten Museen präsentiert. Mit „Im Land der Imagination“ wendet sich eines dieser Häuser, das Museum im Lagerhaus in St. Gallen, nun einem anderen Sonderfall der Kunst zu. Gezeigt wird ein Ausschnitt aus der Sammlung C.G. Jungs. Sie ist mit keiner anderen Sammlung eines Psychiaters seiner Zeit zu vergleichen. Der Schweizer Begründer der Analytischen Psychologie forderte seine aus ganz Europa stammenden Patientinnen und die weniger zahlreichen Patienten auf, ihre inneren Bilder zu aktivieren, zu malen und zu zeichnen. Die Arbeiten entstanden also nicht aus einem eigenständigen Impuls zum künstlerischen Tun, sondern waren Teil des therapeutischen Prozesses. Dennoch lassen sie sich auch unabhängig davon betrachten.
Im Museum im Lagerhaus werden die Bildserien und etwas selteneren Einzelbilder inhaltlichen Themen zugeordnet. Archetypen und gesellschaftlich determinierte Motive treten so eindrücklich zutage. Während in den Heilanstalten Menschen aller sozialen Schichten künstlerisch tätig wurden – und dies oft unter prekären Bedingungen mit kunstfernen Materialien –, behandelte C.G. Jung Privatpatientinnen und -patienten, in deren Arbeiten sich nicht selten ein bildungsbürgerlicher Hintergrund spiegelt. So gibt es virtuos ausgeführte Blätter, die an die Bildwelten Johann Heinrich Füsslis erinnern oder solche, in denen Kompositionen von Giovanni Segantini aufscheinen oder die Schöpfungen Alfred Kubins. In ihrer Formensprache stark reduzierte oder abstrakte Arbeiten stellen sich der Moderne an die Seite. Zugleich bleiben sie sehr persönliche Zeugnisse einer Auseinandersetzung mit Gedankenwelten, sie bilden Entwicklungsprozesse ab und letztendlich auch die Position der Individuen in einem grösseren System.
Dem Museum im Lagerhaus ist mit dieser 164 Arbeiten umfassenden Ausstellung eine kleine Sensation gelungen: Die Sammlung C.G. Jungs war bisher nicht öffentlich zu sehen. Sie umfasst 4´500 Werke und wird noch immer zu Studienzwecken verwendet. Bisher ist die Sammlung nur anhand ihrer Fallnummern erschlossen, die Ausstellung ist ein erster Schritt zu einer Neubewertung der reichen Bildwelten.