Knoten im Kornhaus
by Kristin Schmidt
Domenic Lang, Fridolin Schoch und Wassili Widmer stellen gemeinsam im Kornhaus Rorschach aus. Es ist die 16. Folge der Rendezvous´ Ostschweizer Kunstschaffender.
Wer sich von der Bahnstation Rorschach Stadt her dem Kornhaus zu Fuss nähert, läuft auf eine Wand zu, eine Wand aus Wasser. Der Bodensee wirkt als sei er in die Vertikale gekippt. Mit jedem Schritt in Richtung Hafenbecken sinkt dann die Horizontlinie ein Stück tiefer. Bis der See schliesslich dort liegt, vor er hin gehört: innerhalb seiner gewohnten Uferlinie und eingefasst vom Mauerwerk des Hafens.
Mächtig ist der See dennoch. Er prägt die Stadt, er war bestimmend für die Errichtung des Kornhauses an diesem wichtigen Getreideumschlagplatz, und immer wieder aufs Neue fasziniert er die hier ausstellenden Künstlerinnen und Künstler. Selbst dann, wenn ihre Werke dies nicht auf den ersten Blick preisgeben. So funktioniert Fridolin Schochs Malerei vollständig unabhängig vom Bodensee und ist vielmehr an den Kräfteverhältnissen der Flächen und Strukturen gewidmet. Monochrome geometrische Felder schieben sich ins Bild, antworten einander oder werden am gegenüberliegenden Bildrand gespiegelt. Glatte malerische Oberflächen kontrastieren mit Handtuchfrottee, grobem Sackleinen oder bedruckten Stoffen. Mit expressivem Duktus sind Richtungswechsel inszeniert und Flächen in fragile Zustände gebracht.
Jedes Gemälde des jungen Künstlers ist das Porträt eines visuellen Spannungsfeldes. Auch die Hängung bricht mit dem Gewohnten, da Schoch nicht nur die Bilder in enge Beziehungen zueinander setzt, sondern mit verwendetem und noch ungebrauchtem Klebeband neue Räume schafft. Und der See? Ein Bild hängt auffällig tief, beinahe auf Kniehöhe. Ausgerichtet ist es am ursprünglichen Bodenniveau des Ausstellungsraumes, das jedoch für den Hochwasserschutz überbaut wurde.
Ein wassergefülltes Becken direkt hinter der Eingangstür scheint diesen Massnahmen recht zu geben. Schwappt hier bereits der See ins Haus? Mitnichten. Wassili Widmer hat die Wasserlache ins quadratische schwarze Becken gefüllt und fordert nun auf, einen geeigneten Umgang damit zu finden: drüber steigen, am Rand entlangbalancieren oder mitten hindurch und Spuren hinterlassen.
Der Mensch muss sich entscheiden, muss interagieren mit dem Kunstwerk. Zugleich verbindet es Innen- und Aussenraum, denn drinnen hat der Künstler ein gemaltes schwarzes Quadrat an der Wand platziert und auf dem Kai steht ein schwarzer Würfel. Die Kunstgeschichte lässt grüssen, ebenso wie die Physik und die Geometrie. Malewitsch und Ad Reinhart, Wasser und Fläche, Kubus und Raum, Reflexion und Absorption – Widmer startet einen umfassenden Dialog. Letzteren inszeniert Domenic Lang zwischen Video und Malerei.
Der Künstler hat eine kurze Videosequenz vor der Ostseite des Kornhauses Rorschach aufgenommen und projiziert diese nun auf die Westwand des Ausstellungsraumes. Somit lenkt er den Blick aus dem Innenraum auf den Aussenraum, hinter dem sich wiederum der Innenraum befindet, und startet damit eine Endlosschlaufe des Sehens. Dieser Bewegung wie auch der im Video verstreichenden Zeit setzt er malerische Elemente entgegen: Einige der projizierten Häuser und Holzpfähle sind auf der weissen Wand mit braunem Pigment überstrichen. Damit erweist Lang der Freskomalerei als zeitlosem Medium seine Referenz.
So unterschiedlich die drei Künstlerpositionen auch sind, sie finden in der Ausstellung gut zusammen, jede erhält ein eigenes Gewicht. Obendrein haben Domenic Lang, Fridolin Schoch und Wassili Widmer eine gemeinsame Arbeit realisiert. Ein grosser Knoten aus alten Schiffstauen verbindet die einzelnen Werkstränge optisch und will nichts weniger sein als der „Global Knot“. Die selbstbewusste Verknotung zeigt: Hier ist eine junge, gut vernetzte Generation am Werk.