Mark Dion – The Wondrous Museum of Nature
by Kristin Schmidt
Wo hört die Natur auf? Wo fängt die Kunst an? Im Werk von Mark Dion sind die Grenzen aufgelöst. Mit Humor und philosophischer Schärfe erzählt der US-amerikanische Künstler die Geschichte der frühneuzeitlichen Wunderkammern und späteren naturkundlichen Sammlungen und schreibt sie in die Gegenwart fort.
Kaum ist das Naturmuseum ausgezogen, wird das Kunstmuseum zum Naturmuseum: In St.Gallen hat das Naturmuseum einen Neubau bezogen. Das Kunstmuseum nutzt den klassizistischen Kunklerbau nun alleine. Bis zum vergangenen November waren im Untergeschoss des Hauses ausgestopfte Tiere zu sehen, geologische Schautafeln und weiteres lehrreiches Material. Und jetzt? Wieder ausgestopfte Tiere, Schautafeln und weiteres lehrreiches Material. Alles gleich? Alles anders. Die ausgestopften Tiere sind nicht mehr naturwissenschaftliche Anschauungsobjekte, sie sind Plastiken. Sie stehen auf fahrbaren Untersätzen, sind unter einer Folie verborgen oder mit Teer übergossen. Die Schautafeln stehen nicht mehr im Kontext der wissenschaftlichen Belehrung, sondern der freien Assoziation. In Vitrinen hocken noch immer präparierte Vögel oder Amphibien, aber manche Bezeichnungen führen ins Leere und andere verweisen auf seltsame Fundstücke. Mark Dion (*1961) folgt mit «The Wondrous Museum of Nature» dem bisherigen Ausstellungsparcours. Doch dort wo ein Naturmuseum um Objektivität bemüht und der Wissenschaft verpflichtet ist, wo Taxonomien und Systematisierungen gelten, fängt im Werk des Künstlers das Spiel mit den Kategorisierungen und Präsentationsformen an. Er seziert die Ansprüche und Methoden der alten naturhistorischen Abteilungen und stellt präzise Fragen auf der Höhe der Zeit: Ökologische Probleme blendet Dion ebensowenig aus wie den grundlegenden Widerspruch der naturkundlichen Sammlungen, lebendige Natur mit toter, ja eigens getöteter Natur auszustellen.
Dion agiert als Sammler, als Forschungsreisender, als Chronist des Wandels und allem voran als Künstler, der sich einen kritischen, ironischen, aber auch humorvollen Umgang mit dem Thema erlauben darf. Er stellt Grössenverhältnisse auf den Kopf und gewährt auch Fabelwesen Einzug. Er lässt es glimmen und leuchten, platziert eine komplette viktorianische Expeditionsausrüstung auf einer Düne und lässt auch hochgradig Künstliches zu. Exponate, die vom neuen Naturmuseum St.Gallen nicht mehr benötigt wurden, sind mit bereits bestehenden und neuen Arbeiten Dions eng verwoben. Entstanden ist eine sinnliche Ausstellung, die nicht nur jene beglückt, die das frühere Naturmuseum St.Gallen gut kannten und sich nun auf Spurensuche begeben können, sondern auch jene, die sich an lustvoll präsentierten kulturgeschichtlichen Fragestellungen erfreuen.
Bis 17. September 2017
www.kunstmuseumsg.ch