Grossstadtflair in Trogen

by Kristin Schmidt

Endlich. 2013 gab es keine, nun ist es wieder soweit: Karin Bühler lädt zu einer neuen Ausgabe ihrer Ausstellungsreihe Le Lieu. Heute Abend gibt es den zweiten Teil, und nur heute Abend.

Wieder eines dieser kleinen, feinen Kunstereignisse in Ausserrhoden: Im Palais Bleu ist fast unbemerkt die neunte Ausgabe der Ausstellungsreihe Le Lieu gestartet.

Fast unbemerkt, weil auf ein Minimum reduziert, zumindest, was die Zeitspanne anbetrifft. Am 18. Januar fand der erste Teil statt. Heute, Freitag, gibt’s den zweiten. Beide nur jeweils einen Abend lang und doch unbedingt sehenswert.

Die junge Zürcher Künstlerin Angela Wüst hat für das Palais Bleu passgenaue Arbeiten entwickelt. So ist es immer in der Reihe Le Lieu: Die Trogener Künstlerin Karin Bühler lädt in losen Abständen Kuratorinnen oder Kuratoren ein, die dann ihrerseits Kunstschaffende ins Palais Bleu bitten.

Sie arbeiten mit dem Haus, seiner Geschichte, seiner Lage und so manchen ausserrhodischen Besonderheiten. Angela Wüst haben es die Appenzeller Häuser rings um das ehemalige Bezirksspital angetan. Doch sie blickt nicht mit dem verzückten Blick einer Auswärtigen, einer Grossstädterin auf diese Bauten, sondern mit dem Interesse einer raumbezogen arbeitenden Künstlerin.

Wüst arbeitet seit längerem am räumlichen Aspekt der Fotografie als einem abstrahierenden Medium. Schliesslich bildet eine Fotografie jeden Raum nur zweidimensional ab. Was vorher räumlich war, ist in der Aufnahme flächig. Zwischenräume verschwinden. Volumen und Tiefe werden bestenfalls durch Überschneidungen, Grössendifferenz oder Perspektivbrüche wiedergegeben. Das beschneidet die Landschaft – und die Architektur. Wie ihr den Raum, den Körper zurückgeben?

Angela Wüst fotografiert die Gebäude mit Diafilmen. Anschliessend projiziert sie die Aufnahmen auf gestapelte Baumaterialien und fotografiert erneut. Die Leisten und Bretter werfen Schatten. Ihre Volumina schreiben sich nun in die fotografische Zweidimensionalität der abgelichteten Fassaden ein. Klingt kompliziert, klingt nach Illusionismus, ist aber konzeptuell und auch einfach schön anzusehen.

Genauso wie die grosse Arbeit im Aussenraum. Dort verwandelte Wüst den Hinterhof des Palais Bleu in eine Grossstadtfassade. Reihenweise Stockwerke, hoch aufragend, austauschbar und doch von Individuen bewohnt. Sanft zogen graue Schatten darüber hinweg – waren es Wolken oder Mouches Volantes, jene Glaskörpertrübungen, die vor unserem Gesichtsfeld einher fliegen? Oder Lücken in der Erinnerung der Weggezogenen? Wüst schafft starke Bilder und lässt doch genügend Raum.

Intervention Teil II, heute ab 18 Uhr mit Toast und Barbetrieb im Palais Bleu.

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